Die geplante Entlastung der Sozialgerichte durch neue Einspruchsinstanz stößt auf Widerstand.
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Wer mit einem Bescheid zur Feststellung seiner Berufsunfähigkeit und damit einer etwaigen Invaliditätspension nicht einverstanden ist, soll das nicht mehr direkt beim Arbeits- und Sozialgericht anfechten können. Er soll vielmehr zuerst in einem eigenen Verfahren direkt bei seiner Pensionsanstalt Widerspruch erheben. Darauf zielt ein Antrag der ÖVP im Nationalrat ab, der allerdings vorerst im Budgetausschuss vertagt worden ist. Die ÖVP begründet den Vorstoß damit, dies diene einer Entlastung der Sozialgerichte.
Einwände gegen die geplante Widerspruchsregelung kommen von Neos und SPÖ, die vor längeren Verfahren warnen. Die Richtervereinigung protestiert gegen eine Einschränkung des Rechtsschutzes Betroffener.
Häufigste Einwände bei Pflegegeld und Invaliditätspensionen
Laut Pensionsversicherungsanstalt (PVA) haben im Vorjahr immerhin 23.738 Versicherte Klage beim Arbeits- und Sozialgericht eingebracht. Fast die Hälfte, 11.931 Klagen, betrafen Bescheide zu Berufsunfähigkeits- und Invaliditätspensionen, bei weiteren 8264 ging es um das Pflegegeld.
Nach dem Plan der ÖVP würde sich ein eigens bei der Pensionsanstalt eingerichteter Widerspruch-Ausschuss intern mit einem Einspruch gegen einen Pensionsbescheid befassen. Diese Möglichkeit gibt es bereits bei der Erstgutschrift auf das Pensionskonto und soll nun auf weitere Leistungsbescheide ausgeweitet werden, etwa bei Invaliditätspensionen, bei der Feststellung von Zeiten für die Schwerarbeiterpension sowie bei Ausgleichszulagen, also Mindestpensionen. Damit würden tausende Fälle künftig zuerst bei einer internen Prüfung statt beim Sozialgericht landen. Das Arbeitsgericht könnte erst nach einem Widerspruchs-Bescheid der Pensionsversicherung oder wenn eine Entscheidungsfrist von sechs Monaten verstrichen ist, angerufen werden. Die ÖVP erhofft sich damit eine bessere Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen.
"Es dauert länger, bis man zu seinem Recht kommt", beklagt hingegen Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker. Die SPÖ befürchtet, dass sich der Pensionsantritt verzögern könnte.
Die Richtervereinigung und die Bundesvertretung der Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst hat sich in einem Schreiben, das der "Wiener Zeitung" vorliegt, an den Budgetausschuss gewandt. Die "Zwischenschaltung" der internen Verwaltungsverfahren im Widerspruchausschuss verkompliziere und verlängere die Verfahren, wird in der Stellungnahme gewarnt.
Erhebungen würden umso schwieriger, je länger der Sachverhalt - etwa der Gesundheitszustand des Klägers - zurückliege. Gleichzeitig sei "unrealistisch", dass Betroffene auf eine Klage bei Gericht verzichten, wenn sie "mit ihren existenziellen Anliegen nicht durchdringen". Eine Entlastung der Gerichte soll "nie zu Lasten des Rechtsschutzes der Bevölkerung" erfolgen. Die zu erwartenden Mehrausgaben sollten statt dessen in eine ausreichende Dotierung der Justiz fließen. Bei der Kontoerstgutschrift haben laut PVA übrigens 98 Versicherte das in diesen Fällen schon bestehende interne Widerspruchsrecht genützt. Nur in sechs Fällen wurde danach noch Klage beim Sozialgericht erhoben.
Neben dem ÖVP-Antrag zur Neuregelung der Pensionsanfechtungen wurden noch zwei weitere, brisante Anträge im Budgetausschuss vertagt. Die SPÖ wollte damit die abschlagsfreie Frühpension ab 62 nach 45 Arbeitsjahren, die vor der Nationalratswahl beschlossen worden ist und ab 2020 für Arbeitnehmer, Bauern und Gewerbetreibende gilt, auf Beamte ausweiten. Auch jene, die seit 2014 Pensionskürzungen hinnehmen mussten, sollten nachträglich ausgenommen werden. Dazu stellt die SPÖ am Mittwoch einen Fristsetzungsantrag.
Der Vorstoß der Neos, die teure Pensionssonderregelung gleich wieder zurückzunehmen, wurde auch vertagt.