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Gefiederte Architektenkunst

Von Kerstin Viering

Wissen
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Die Webervögel flechten Grashalme zu kunstvollen flaschenförmigen Gebilden.
© fotolia

Es geht auch darum, dem Nachwuchs gute Startchancen zu verschaffen.


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Berlin. Die Bauwirtschaft hat wieder Hochkonjunktur. Es wird Material herangeschleppt, gemauert, gehämmert, tapeziert und geflochten - mit unterschiedlichem Ergebnis. Eine Ringeltaube, die ein paar Zweige zu einem schütteren Haufen aufgeschichtet hat, wird kaum einen Design-Preis gewinnen. Viele andere Vögel aber verwenden einige Sorgfalt auf die Konstruktion ihrer Nester. So soll nicht nur dem Nachwuchs ein guter Start ins Leben ermöglicht werden. Der gefiederte Architekt nutzt oft auch die Gelegenheit, mit seinem Werk beim anderen Geschlecht zu punkten.

Männliche Haussperlinge setzen auf eine gemütliche Innenausstattung. Wie erfolgreich das ist, zeigt eine aktuelle Studie im Fachblatt "Ethology". Lola Garcia-Lopez de Hierro von der Uni im spanischen Granada und ihre Kollegen haben das Brutverhalten dieser Vögel beobachtet. Die Tiere bauen rundliche Nester mit Kuppeldach in die Bäume. Die Männchen schleppen Federn an, um die Stube auszupolstern.

Damit der Einsatz nicht verborgen bleibt, rufen sie regelmäßig ihre Partnerin und halten ihr das Material unter den Schnabel. Tatsächlich wissen die Weibchen dies zu schätzen. Je mehr Federn das Männchen sammelt, umso mehr Eier legen sie und umso eifriger füttern sie die Küken. Ein guter Innenausstatter scheint ein guter Partner zu sein.

Zusätzlich profitieren die Jungen von den Federpolstern, die ihre Kinderstube vor Kälte schützen. Auch anderswo ist das Baumaterial entscheidend für die Gesundheit des Nachwuchses. In Städten lebende Haussperlinge bestücken ihr Nest oft mit Zigarettenstummeln. Das Nikotin vertreibt Milben und andere Parasiten aus dem Nest, hat Montserrat Suarez-Rodriguez von der Nationalen Autonomen Uni in Mexiko-Stadt herausgefunden. Auch Kräuter können Abhilfe schaffen.

Raffinierter Baustil gefragt

Die Innenausstattung ist aber nicht alles. Wer bei den in Afrika und Asien lebenden Webervögeln Eindruck schinden will, sollte auf einen raffinierten Baustil setzen. Bei fast allen 120 Arten flechten die Männchen Grashalme und anderes Material zu kunstvollen kugel- oder flaschenförmigen Gebilden. Je nach Art sind Einfamilienhäuser oder Kasernen für mehrere Familien gefragt. Das Ziel ist immer das gleiche: Wer baumeisterisch überzeugt, kann ein wählerisches Weibchen ins Nest locken und sich paaren.

Doch wie wird man zum sexy Architekten? Bis vor kurzem hatten Biologen angenommen, das Bautalent sei eine Frage der Genetik. "Dann würde man aber erwarten, dass ein bestimmter Vogel immer gleiche Muster baut", meint Patrick Walsh von der University of St. Andrews in Schottland. Doch als er männliche Maskenweber in Botswana filmte, erlebte er eine Überraschung. Dasselbe Tier flocht sein Graskunstwerk mal von links nach rechts und mal umgekehrt. Junge Männchen bauten zudem viel unordentlicher als ältere und die ersten Gebäude der Saison waren in der Regel größer und schwerer als die späteren. Möglicherweise müssen sich die Tiere die Prinzipien der Leichtbauweise jährlich wieder neu vor Augen führen. Jedenfalls werden sie im Laufe der Brutsaison geschickter und lassen immer seltener Baumaterial fallen.

Erfolg in der Liebe

Der Erfolg beim anderen Geschlecht scheint die Mühe wert zu sein. Danach handeln auch die Laubenvögel, die in Australien, Neuguinea und auf benachbarten Inseln leben. Sie setzen auf eine spezielle Liebeslaube, um Weibchen für die Paarung anzulocken, erläutert John Endler von der Deakin University im australischen Melbourne. "Anschließend gehen die Weibchen ihrer Wege, bauen ein Nest und ziehen ihre Jungen ohne männliche Unterstützung auf." Wie die perfekte Liebeslaube auszusehen hat, ist von Art zu Art verschieden. Der Graulaubenvogel Ptilonorhynchus nuchalis baut eine etwa 60 Zentimeter lange Allee aus Zweigen, die zu einem mit Steinen, Muscheln und Knochen dekorierten Balzplatz führt. Der dient ihm als Bühne für Darbietungen. Kopffedern werden aufgestellt, Früchte geschwenkt und bunte Gegenstände herumgeworfen. Das weibliche Publikum steht in der Allee und schaut zu. Wenn ihm gefällt, was es sieht, findet an Ort und Stelle die Paarung statt.

Das Bühnenbild scheint wichtig zu sein. Nicht nur, dass die Männchen gern die Dekoration vom Balzplatz der Konkurrenz entwenden, sie ordnen die Objekte auch in einer ganz bestimmten Weise an: Die kleineren liegen nahe am Logenplatz des Weibchens, die größeren weiter entfernt.

"Die Geometrie ihrer Laube ist den Vögeln offenbar sehr wichtig", so Endler. Er hat auch eine Idee, woran das liegen könnte. Die Weibchen werden durch die Anordnung des Bühnenschmucks Opfer einer optischen Täuschung. Der Balzplatz sieht dadurch kleiner aus und alles, was präsentiert wird, wirkt entsprechend größer.

Möglicherweise lässt dieser Trick die Männchen selbst und ihre Schmuckstücke besonders vorteilhaft aussehen. Jedenfalls kommen diejenigen Vogel-Casanovas, die ihr Bühnenbild am geschicktesten zusammenstellen, bei den Weibchen am besten an. "Ihr Paarungserfolg hängt letztlich davon ab, wie gut die Illusion funktioniert", sagt Endler. Architektur bietet eben auch Chancen für Blender und Trickser.