)
Tierwohl versus Produktionskosten: Die Geflügelwirtschaft sieht sich aufgrund strengerer Tierschutzstandards im Nachteil.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. In den Supermarktregalen und in der Gastronomie wird immer öfter ausländisches Geflügel angeboten. Der Anteil der österreichischen Ware geht zurück - bei Putenfleisch werden heuer nur mehr weniger als 30 Prozent des Inlandsverbrauchs aus Österreich stammen, erwartet Robert Wieser, Obmann der Zentralen Arbeitsgemeinschaft der Österreichischen Geflügelwirtschaft (ZAG). Derzeit wirs etwas weniger als 40 Prozent des Verbrauchs durch heimische Produktion abgedeckt. "Wir haben in den vergangenen Jahren bereits Marktanteile verloren", sagt Wieser. Bei Masthühnern werde der Inlandsanteil von 83 im Jahr 2013 auf 70 bis 75 Prozent in diesem Jahr fallen.
1,50 Euro Mehrkosten pro Kilo
Die heimischen Geflügelbetriebe sehen sich mit Wettbewerbsnachteilen gegenüber ausländischen Konkurrenten konfrontiert. Bei der Putenmast sei dieser Nachteil besonders gravierend, so Wieser: Während in Österreich nach dem Tierschutzgesetz nicht mehr als 40 Kilogramm Tier pro Quadratmeter gehalten werden darf, gibt es in den übrigen EU-Ländern keine gesetzlichen Regelungen. In Deutschland existiert eine freiwillige Beschränkung. Weil in Österreich nur rund zwei statt wie im Ausland üblich drei Tiere pro Quadratmeter gehalten werden, sind die Produktionskosten höher.
Nicht zugestimmt haben Gesundheits- und Landwirtschaftsministerium dem von Geflügelhaltern vorgeschlagenen Anreiz, die Besatzdichten bei Puten von 40 auf 60 Kilogramm Tiergewicht pro Quadratmeter und bei Masthühnern von 30 auf 38 Kilo erhöhen zu können, wenn Grenzwerte bei Tierschutz-Indikatoren (wie Fußballengeschwüre und tote Tiere bei Anlieferung) unterschritten werden. Nach einem Runden Tisch im Dezember werden laut einer Sprecherin von Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser mit der Geflügelbranche, Handelsunternehmen und NGOs andere Lösungswege erarbeitet.
Derzeit laufen gerade Preisverhandlungen mit den Schlachthöfen und dem Handel. Konsumenten müssten bei Putenfleisch beispielsweise auf einen Preisunterschied von 1,50 Euro je Kilo im Vergleich zu ausländischer Ware im Supermarkt rechnen, so Wieser: "Wir werden sehen, wo die Schmerzgrenze der Konsumenten liegt." Während die Österreicher immer mehr Geflügel essen, stellen immer mehr Betriebe die Produktion ein. Das führt dazu, dass teilweise nicht mehr genügend Ware vorhanden ist, um die Lebensmittelketten zu beliefern.
Neue Kennzeichnungspflicht
In Großhandel, Gastronomie und Kantinen spielt der Preis eine noch größere Rolle - de facto werde dort daher kein österreichisches Putenfleisch mehr angeboten, so Wieser. Hier wird vor allem importiertes Fleisch - unter anderem aus Polen - eingekauft.
Im Supermarktregal war für Kunden bisher nicht immer erkennbar, woher das Geflügelfleisch stammt. Das wird sich mit April ändern, denn dann muss bei verpacktem gekühlten oder tiefgekühlten Fleisch von Geflügel, Schwein, Schaf und Ziege angegeben werden, wo das Tier aufgezogen und geschlachtet wurde. Wurde das Tier in einem einzigen EU-Mitgliedstaat geboren, aufgezogen und geschlachtet, kann alternativ das Land als "Ursprung" angegeben werden. Die EU-Richtlinie gilt allerdings nicht für Fleischzubereitungen wie Grillfleisch oder Putenspieße.
Immer wieder für Aufregung sorgt indes, dass in Geflügelfleisch antibiotikaresistente Keime gefunden werden. Mit höheren Besatzdichten wird auch ein Einsatz von Antibiotika wahrscheinlicher, sagt Wieser: "Je schlechter die Standards, umso höher die Gefahr, dass Antibiotika eingesetzt werden müssen." In Österreich entscheidet der Betreuungstierarzt über den Einsatz von Antibiotika. Der Einsatz muss in die Datenbank des Tiergesundheitsdienstes gemeldet werden.