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Gefühltes Geschlecht zählt

Von Katharina Thalhammer

Politik

Stadt fordert Gesetzesänderung zugunsten Transsexueller.


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Wien. Die ehemalige HIV-Kampagne "Nothing about us without us" findet unter Transgender-Personen erneute Beachtung. Kein Urteil soll ohne die Beteiligten gefällt werden. Das Bild Transsexueller ist stark mit Menschen, die sich im falschen Körper befinden, verbunden. Jedoch bilde der eigene Körper die Grundlage, jedes Geschlecht verkörpern zu können. "Als wäre eine Frau gezwungen, ein Mann zu sein, so fühlen sich Transsexuelle", erklärt Alecs Recher, Vorstandsmitglied von Transgender Europe.

Der von außen wahrgenommene "Mann"

Transgender-Personen werden mit vielen Vorurteilen konfrontiert. Die sexuelle Perversion ist ein Vorurteil, mit dem sie zu kämpfen haben. Transvestiten geht es aber kaum um Stimulation oder Verkleidung, sondern um die geschlechtsbezogene Anteilnahme. Aufgrund der Ausgrenzung durchleben die meisten von ihnen eine transvestitische Lebensphase, die von Scham und Angst geprägt ist. Der von außen wahrgenommene "Mann", der nach der Arbeit seine Verkleidung ablegt, ist ein erzwungenes Rollenspiel Transsexueller. Es wird bewusst praktiziert, um den eigenen Arbeitsplatz nicht zu gefährden. Vor fünf Jahren hätten noch 90 Prozent ihren Job verloren. Heute sind es 70 Prozent. Ein Aufatmen sei spürbar, sagt Jo Schedlbauer, Antidiskriminierungsbeauftragter für gleichgeschlechtliche und transgender Lebensweisen der Stadt Wien.

70 Prozent der Transsexuellen verlieren Job

Aufgrund der noch bestehenden Vorurteile hat die zuständige Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) gemeinsam mit der Wiener Antidiskriminierungsstelle eine Einrichtung ins Leben gerufen, die sich für eine rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen engagiert. Ziel ist es, die Bedürfnisse transgeschlechtlich empfindender Menschen aufzuarbeiten. "Menschen sollen ihr Lebensmodell frei wählen und in diesem Lebensmodell frei leben können", so Frauenberger. Um einen diskriminierungsfreien Umgang gewähren zu können, müssten die Personenstands- und Namensänderungen reformiert werden, indem eine klare Trennung zwischen Medizin und Recht vorherrscht. "Transidentität ist keine Krankheit, der Vorname und die rechtliche Geschlechtsidentität müssen frei wählbar sein", so Jennifer Kickert von den Wiener Grünen.

Seit 2009 ist ein körperlicher Eingriff keine Grundvoraussetzung mehr für eine Personenstandsänderung. Die Stadt hat nun weitere Maßnahmen gesetzt: Ab sofort reicht es, statt einem psychiatrischen ein psychotherapeutisches Gutachten vorzuweisen. Weiters muss bei der Änderung auf einen geschlechtsneutralen Namen keine Gebühr mehr entrichtet werden.

Die wesentlichen rechtlichen Rahmenbedingungen werden aber auf Bundesebene festgelegt. Die Stadt fordert die Anerkennung des empfundenen Geschlechts und eine freie Auswahl des Vornamens. Der Name darf keine Auskunft über das Geschlecht geben. "Ob ich mich offenbare oder nicht, habe ich allein zu entscheiden", so Recher.