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Gegen alle Regeln

Von Walter Hämmerle

Leitartikel

Europa ist zu kostbar, um es seinen Gegnern - bewussten und unbewussten - zu überlassen. Dazu zählen nicht nur böse Finanzspekulanten, der Kreis der Übeltäter - sei es aus Inkompetenz, sei es aus Ignoranz oder auch aus falsch verstandenem guten Willen - ist sehr viel weiter gefasst.


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Er beginnt mit dem Primat der Politik über die Ökonomie (auch wenn viele das genau andersrum sehen wollen): Griechenland - und wohl manch anderes Land - hätte niemals der Währungsgemeinschaft beitreten dürfen; die harten wirtschaftlichen Daten sprachen dagegen, daran hätten auch gefälschte Budgetzahlen nichts ändern können.

Mit dem Vorrang des Politischen hat auch das Spiel auf Zeit zu tun, das das Krisenmanagement in den vergangenen Monate prägte. Mit beschwörender Rhetorik lassen sich vielleicht Wähler manipulieren, in finanziellen Angelegenheiten werden jedoch gemeinhin Taten bevorzugt. Überraschung.

Am Schluss regierte nur noch nackte Panik.

Hat Europa nun seine erste wirkliche Bewährungsprobe bestanden?

Leider nein. Die Krise war absehbar, die Alarmsirenen haben versagt, das präventive Krisenmanagement detto. Dass am Schluss - hoffentlich - doch noch alles gut ausgehen könnte, ändert an dieser Diagnose nichts. Die Bürger wurden in vermeintlicher Sicherheit gewogen, am Schluss müssen sie dennoch die Rechnung begleichen. Auch für akutes Politikversagen wohlgemerkt, und das nicht nur in Griechenland.

Wenn es um alles, jedenfalls um sehr viel geht, haben formale Regeln notgedrungen das Nachsehen. Die nackte Realität bestimmt dann das Handeln. Dagegen ist als letzte Möglichkeit nichts einzuwenden. Das Problem ist nur: Verlässliche Regeln begründen Vertrauen, und dieses ist die Grundlage aller Politik und Wirtschaft.

Europa musste fast alle seine von ihm selbst aufgestellten Regeln brechen, um die Griechenland-Krise in höchster Not einzudämmen. Obwohl diese Regeln eigentlich bindend sein sollten. Europa wird viel Zeit und Energie aufwenden müssen, um diesen Vertrauensbruch seinen Bürgern gegenüber wieder zu kitten. Hoffentlich sieht es das auch so. Ansonsten haben wir ein noch größeres Problem.