Einstige Mitstreiter fordern Rücktritt des Präsidenten. | Autoritäter Führungsstil bekrittelt. | Caracas/Wien.Venezuelas Präsident Hugo Chavez trat nach anhaltenden Anti-Regierungsprotesten die Flucht nach vorne an. Für den gestrigen Donnerstag rief er eine seine Anhänger dazu auf, sich zu einer Solidaritätskundgebung in der Hauptstadt Caracas zu versammeln. "Tag der Würde" taufte er das Straßenspektakel. Gekommen sind ein paar Hundert. Seine einstige Strahlkraft hat der Linkspopulist, der mit Unterbrechungen seit 1999 an der Staatsspitze steht und dem ölreichen lateinamerikanischen Land den sozialistischen Weg verordnet hat, längst verloren.
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Protestiert wird landesweit seit einer Woche nicht nur gegen die Schließung regierungskritischer Sender wie den RCTV, sondern auch gegen die regelmäßigen Stromabschaltungen. Zwei Tote forderten die Zusammenstöße von Studenten und Oppositionellen mit den Sicherheitskräften.
Um die Kritiker seiner verfehlten Energiepolitik ruhigzustellen, kündigte Chavez ein Investitionsprogramm für die Verbesserung der Elektrizitätversorgung in Höhe von einer Milliarde US-Dollar an. Zugleich setzt seine Regierung auf ein rigides Sparprogramm. Seit Monatsbeginn wird auch in Caracas alle zwei Tage der Strom für vier Stunden abgeschaltet - diese Regelung galt seit Dezember bereits für den Rest des Landes. Große Unternehmen müssen zudem ihren Energieverbrauch um 20 Prozent senken.
Chavez schiebt die Schuld für den chronischen Strommangel auf die herrschende Dürre. Dadurch sei die Kapazität des größten Wasserkraftwerks zurückgegangen, klagt er. Das Kraftwerk deckt rund 70 Prozent des Strombedarfs. Seine Kontrahenten sehen die Ursache allerdings eher im maroden Zustand des von Chavez 2007 verstaatlichten Energiesektors.
Dass Chavez nun, wie er verkündete, Rat bei den (bezüglich der Energieversorgung leidgeplagten) Kubanern suchen will - Anlass war der Besuch des kubanischen Vizepräsidenten Ramiro Valdes in Caracas -, bezeichnen sie als lächerlich. Valdes habe in Kuba lediglich die Stromlieferungen rationiert. Er sei weder Experte für Investitionen noch für Instandhaltung oder Energieerzeugung, polterte Aixa Lopez, Vorsitzende einer Gruppierung, die das Ausmaß der Energiekrise in Venezuela überwacht.
Offener Protestbrief
Es sind aber keinesfalls nur die Stromengpässe, die viele Venezolaner auf die Barrikaden bringen. Und es ist nicht mehr nur die einst mächtige politische Rechte, die zu Unmutsbekundungen animiert. Immer deutlicher distanzieren sich auch frühere Mitstreiter von Chavez. In einem Brief anlässlich des 11. Jahrestages seines ersten Amtsantritts warfen sie ihm autokratische und totalitäre Amtsführung sowie Misswirtschaft vor und forderten unverblümt seinen Rücktritt. Unterzeichnet war das Schreiben unter anderem von seinen Ex-Ministern für Verteidigung und Äußeres, Raul Baduel und Luis Alfonso Davila. Kürzlich warf Vizepräsident Ramon Carrizalez den Hut.
Die neue Linksbewegung, die sich "Verfassungs-Pol" nennt, spielt bereits mit dem Gedanken, Chavez Sozialistenpartei Psuv bei den Parlamentswahlen im Herbst herausfordern. Ein Faustschlag für Chavez, der jüngst verkündete: "Ich werde niemals meine Führerschaft aufgeben. Denn ich bin das Volk."
Es sind Sätze wie diese, die seine ehemaligen Kampfgefährten in die Flucht treiben.