Ein Jahr grüne Leopoldstadt - die neue Bezirksvorsteherin zieht Bilanz und sieht in eine positive Zukunft der Grünen.
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Wien. Es war eine Zitterpartie, wenn auch mit unterschiedlichem Ausgang. Während die Bundes-Grünen den Sprung bei den Nationalratswahlen nicht geschafft und laut Wählerstrom-Analyse mehr als 160.000 Stimmen an die SPÖ verloren haben, haben die Leopoldstädter Bezirksgrünen von den Stimmen der Roten profitiert. Besser gesagt, von jenen Stimmen, die bei der Wiederholung der Bezirksvertretungswahl im Jahr 2016 nicht abgegeben wurden. Die SPÖ erlitt schwere Verluste und musste den Bezirksvorsteher an die Grünen abgeben. Vor einem Jahr wurde Uschi Lichtenegger als Leopolstädter Bezirksvorsteherin angelobt.
"Wiener Zeitung":Ihr erstes Jahr verlief nicht ohne Kritik - vor allem, was den Praterstern und die Praterstraße betrifft. Im September des Vorjahres haben die Grünen die SPÖ nach 70 Jahren vom Thron gestürzt. Haben Sie ein schweres Erbe angetreten?Uschi Lichtenegger: Der Antritt war schwer, aber die Leopoldstadt ist ein so toller Bezirk. Ich wohne auch sehr gerne hier und bin auch stolz, in diesem Bezirk Bezirksvorsteherin zu sein.
Neubau ist seit 16 Jahren in grüner Hand, diese Woche wird ein neuer grüner Bezirkschef in Neubau gewählt. Wird es Ihr grüner Kollege leichter haben, als Sie es in der Leopoldstadt gehabt haben?
Natürlich, in Neubau wird es eine Amtsübergabe geben. Ich hatte keine. Es waren bei meinem Amtsantritt keine Computer und nicht einmal E-Mail-Adressen vorhanden. Mir geht es aber in erster Linie um die Leopoldstadt. Wir haben mit dem Nordbahnhof ein Stadtentwicklungsgebiet mit tausenden neuen Wohnungen, wir haben die Gründerzeitviertel, wir haben die Herausforderung, dass wir die Praterstraße sanieren.
Was sind für Sie die größten Baustellen im Bezirk?
Ich würde es nicht als Baustellen bezeichnen, da Baustellen immer einengen. Wir haben in Bezug auf die Praterstraße, die Chance, in Ruhe zu planen. Bei der Bürgerbeteiligung sind mehr als 500 Ideen eingetroffen, die jetzt alle bei den Fachdienststellen liegen, wo eruiert wird, was wir davon umsetzen können. Wir können mit der Umsetzung aber frühestens 2019 beginnen, da Österreich ab Juni den EU-Ratsvorsitz innehat und ab Juni nichts mehr gebaut werden darf.
Sie haben betont, dass Ihnen bei der Praterstraße Mehrwert wichtig ist. Mehrwert für die Radfahrer oder für die Autofahrer?
Mehrwert für die Anrainer, die hier wohnen und für die Unternehmer. Es geht nicht darum, den Autofahrern etwas wegzunehmen.
Ist es nun fix, dass es zukünftig nur eine Fahrspur pro Richtung geben wird?
Nein, ist es nicht. Aber darum geht es überhaupt nicht. Es geht um den Prozess, gemeinsam mit den Bürgern, eine Straße zu entwickeln. Man muss sich wohlfühlen und darf nicht nachts von den Autos, die mit 70 oder 80 Stundenkilometern durchpreschen, geweckt werden.
Thema Praterstern: Sie haben gesagt, dass Sie einen warmen, freundlichen Ort herstellen möchten. Ist das nicht utopisch?
Wenn ein Ort so eine negative mediale Strahlkraft hat, ist es schwierig. Der Praterstern hat aber Potenzial. Die Kulturschaffenden vernetzen sich gerade und möchten den Praterstern temporär mit Ausstellungen und Konzerten bespielen. Es ist ein Festival geplant, aber es braucht auch eine Umgestaltung. Der Praterstern soll als Ort wahrgenommen werden, wo sich die Menschen gerne aufhalten.
Fühlen Sie sich dort wohl?
Ich habe keine Probleme. Ich fühle mich wohl. Aber ich weiß, dass es Luft nach oben gibt. Und ich weiß, dass es von anderen Menschen nicht so wahrgenommen wird.
Sind die ÖVP und die FPÖ Ihnen mit Lösungsvorschlägen wie einem Alkoholverbot am Praterstern um einiges voraus?
Nein, sie sind im Prozess mit dabei. Das geforderte Alkoholverbot wurde im zuständigen Ausschuss behandelt. Die Stadt hat beschlossen, nicht mit Verboten zu arbeiten, sondern die Sozialarbeit zu verstärken. Der nächste Schritt ist, mit einer Praterstern-Webseite Öffentlichkeit zu schaffen, regelmäßige Vernetzungstreffen der Kulturschaffenden finden ja bereits statt. Das ist eine Sache, die derzeit gut läuft.
Den Grünen in der Leopoldstadt eilt der Ruf voraus, aufmüpfig und kämpferisch zu sein. Musste man sich als Bezirksvorsteher-Partei bändigen?
Wir haben jetzt eine andere Rolle und wir haben jetzt sehr viel zu tun. Wir sind für die Kommissionen und Ausschüsse zuständig und stellen dort die Vorsitzenden. Wir tragen Verantwortung und müssen schauen, was umgesetzt werden kann. Aber die Grünen Leopoldstadt gibt es nach wie vor - sehr stark und mit sehr viel Druck.
Wie würden die SPÖ, ÖVP und FPÖ Ihre einjährige Arbeit als Bezirksvorsteherin beurteilen?
Grundsätzlich positiv, denke ich. Der Bezirk hat sich verändert. Der Wahlabend war eine Überraschung und ist es immer noch für mich. Für mich war es auch wichtig, die Lähmung in der Bezirkspolitik zu durchbrechen und mit einer Aufbruchstimmung zu sagen, es geht weiter, aber anders. Mein Stil ist es nicht, drüber zufahren. Ich habe auch mit Bezirkskaisertum überhaupt nichts am Hut.
Machen Sie sich Sorgen, dass sich die Grünen in Wien selbst zerstören könnten?
Nein, überhaupt nicht. Ich bin nach der Landesversammlung ganz zuversichtlich. Es geht in die richtige Richtung und eine große Mehrheit hat Maria Vassilakou das Vertrauen ausgesprochen. Das ist auch ganz wichtig auch für den Prozess, den wir starten. Es wurde ein Leitantrag beschlossen, wo es um strukturelle und personelle Erneuerung geht. Ich glaube, das kommt an, dass wir für die Erneuerung brennen.