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Gegen den "Raub der Weiblichkeit"

Von Christa Karas

Wissen

"Zwei Ärzte - drei Diagnosen", besagt ein alter Witz. Doch im Fall von schwer wiegenden Diagnosen und deren Konsequenzen lohnt es sich häufig, doch noch eine zweite Expertenmeinung einzuholen, auch wenn dies als Misstrauensvotum gegen den Arzt gedeutet werden kann: "Natürlich war mein damaliger Gynäkologe sauer, aber immerhin ist es um meine Gebärmutter gegangen. Und ich habe sie bis heute, weil ich einen erfahreneren Arzt aufgesucht habe", weiß eine Betroffene, die vor Jahren einen falschen Krebs-Befund erhalten hatte. Doch nicht jede Frau hat die Kraft, sich unter dem Eindruck einer solchen Diagnose einer weitere Untersuchung bei einem anderen Facharzt zu unterziehen - und riskiert dabei eine Menge.


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Denn, so die beiden Universiätsprofessoren Dr. Fritz Nagele und Dr. Paul Speiser, Frauenärzte am Wiener AKH: "Viel zu oft wird gleich das ganze Organ herausgeschnitten, obwohl nur ein Teil davon krankhaft verändert ist." Oft mit schwer wiegende Konsequenzen: "Den Schaden haben die Patientinnen, von Beeinträchtigungen ihres Wohlbefindens bis hin zu Orgasmusproblemen und Identitätskrisen. Gebärmutter und Eierstöcke sind frauenspezifische und daher identitätstragende Organe, zu denen Frauen eine sensible Beziehung entwickeln."

Nur wenige Frauen seien froh und fänden es bequem, "wenn sie mit ihrem Frausein nichts mehr zu tun haben müssen". Ungleich mehr empfänden sich nach einer derartigen Operation als weniger weiblich, attraktiv und begehrenswert, viele "verlieren ihren emotionalen Rhythmus", so die beiden Ärzte, die dies belegen können.

Nach wie vor würden viele Gynäkologen bei anhaltenden starken Regelblutungen die Gebärmutter entfernen, obwohl an ihr keine krankhaften Veränderungen nachweisbar seien.

Dabei, so Speiser, habe die Einführung endoskopischer Operationstechniken international zu einem völligen Umdenken geführt: "Heute sind bei den wenigsten gynäkologischen Problemen noch Bauchschnitt und Radikalentfernung nötig. Statt dessen sollten maximaler Organerhalt und der kleinst mögliche Schnitt angestrebt werden." Und: Sei es aus medizinischer Sicht tatsächlich notwendig, ein Organ zu entfernen, könne dies mit Hilfe der Endoskopie durchgeführt werden. Nach dem Motto: "So schonend wie möglich, so radikal wie nötig."

Neben den emotionellen und kosmetischen Aspekten gibt es wesentliche medizinische und ökonomische Vorteile, die für diese Vorgehensweise sprechen: Die Patientin erholt sich deutlich schneller, benötigt weniger Schmerzmittel und ist schneller wieder arbeitsfähig. Der Operateur kann dagegen durch die Verwendung eines optischen Lichtstabes das Operationsfeld stark vergrößert einsehen und besonders exakt beurteilen. Nagele: "Angesichts so vieler Vorteile ist der Einsatz des traditionell großen Bauchschnittes mit Totaloperation nur noch in den wenigsten Fällen gerechtfertigt."

Informationsmangel . . .

"Wichtig ist eine Informationsoffensive sowohl zu den Ärzt- Innen als auch zu den Patientinnen. Solange man den Betroffenen nicht sagt, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, nehmen sie zu häufig die Totaloperation hin", sagt Speiser und verweist auf Studien, denen zufolge sich gut ein Drittel aller Frauen beim Gynäkologen gar nicht nachzufragen traut und daher über die moderenen Möglichkeiten nicht Bescheid weiß. So zeigte etwa eine Untersuchung der US-amerikanischen Society for Womens Health Research, dass jede vierte Frau von ihrem Gynäkologen den Rat zur Totaloperation bekommt - und 82 Prozent ihn auch befolgen.

. . . bei den Patientinnen

Eine Ursache dafür ortet Speiser im fehlenden anatomischen Wissen der Patientinnen, die oft nur vage Vorstellungen von Lage und Funktion von Eileitern, Eierstöcken und Gebärmutter haben. "Bei uns können Patientinnen alle ambulanten Untersuchungen auf dem Bildschirm mitverfolgen und so etwa ihre eigene Gebärmutter von innen sehen. Dadurch bekommen sie eine klarere Vorstellung von ihren Organen."

. . . und der Ärzteschaft

Informationsbedarf herrscht aber auch in der Ärzteschaft. Speiser: "Wir geben den KollegInnen in unserem Zentrum für Gynäkologische Endoskopie am Privatspital Goldenes Kreuz Gelegenheit, mit ihren Patientinnen zu uns zu kommen, und mit uns gemeinsam zu untersuchen und zu operieren. So können wir unser spezielles Fachwissen über endoskopische Methoden und unsere langjährige Erfahrung weitergeben." Den Nutzen daraus haben die Patientinnen.