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Gegen die Grippe googeln

Von WZ-Korrespondent Roman Goergen

Wissen
Wenn die Suchanfragen "Husten" und "Fieber" häufiger werden, ist Grippezeit.
© © DPix Center - Fotolia

Dem Suchmaschinenbetreiber Google gelingt es, Grippewellen vorherzusagen.


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St. Gallen. Beim Internetgiganten Google benötigt man weder einen Kalender noch ein Thermometer, um den Beginn der kalten Jahreszeit festzustellen: Wenn sich Suchanfragen mit den Worten "Husten", "Fieber" oder "Kopfschmerzen" häufen, ist es so weit.

Für Internetnutzer ist der heimische Computer oft ein schneller Ersatz für einen Arztbesuch. Besonders im Herbst und Winter werden leichtere Erkältungssymptome lieber bei Google eingegeben. Unter den Ergebnissen finden sich nicht nur Diagnosen, sondern auch Empfehlungen, um die Beschwerden zu bekämpfen. Seit 2008 macht Google sich diese Suchen selbst zunutze, mit einem Projekt, das versucht, Grippewellen vorherzusagen.

Unter dem Titel "Google Grippe-Trends" analysiert der Suchmaschinen-Betreiber die Anfragen seiner Nutzer und wertet diese mit raffinierten Algorithmen aus. Das Resultat: eine verblüffend verlässliche Analyse, ob und wo die Grippe umgeht, aufbereitet in Grafiken und Karten. Die von der Suchmaschine gesammelten Daten werden zusätzlich regelmäßig mit statistischen Informationen nationaler Gesundheitsbehörden abgeglichen. Googles größter Partner ist dabei die US-Bundesbehörde "Centers for Disease Control" (CDC), für Europa kooperiert Google mit dem "Europäischen Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten" (ECDC).

Erstmals kommerziell

Es gibt auch zahlreiche ähnliche Projekte, in denen soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter eine wichtige Rolle spielen. So haben Forscher in Brasilien ein Programm entwickelt, das Twitter-Meldungen kranker Nutzer analysiert, um einen Ausbruch des Denguefiebers festzustellen. Der Universität von Iowa gelang es 2009 mit einer ähnlichen Twitter-Analyse, einen Ausbruch der Schweinegrippe zwei Wochen vor der CDC zu vermelden.

Geschäftstüchtige Unternehmer versuchen bereits, diese neuen Trends kommerziell zu nutzen. So erhofft sich Graham Dodge, Gründer von "Sickweather", Werbeanzeigen aus der Pharma-Industrie. Bei seinem sozialen Netzwerk stehen tägliche Neuigkeiten über die Gesundheit seiner Nutzer im Vordergrund. Dies hat dem Netzwerk bereits den Spitznamen "Facebook für Hypochonder" eingebracht.

Auch in Deutschland wird die Grippe online gejagt. Hier bittet das Robert Koch Institut Ärzte und Patienten zu regelmäßigen Angaben über akute Atemwegserkrankungen. Die Auswertung steht im Internet zur Verfügung.

Die Dienste scheinen aber jeweils ihre eigenen Schwachstellen zu haben. Google Grippe-Trends hat die Millionen auf seiner Seite, kann aber nicht feststellen, ob der Suchende wirklich krank ist. Freiwilligen-Projekte wie "Health Map" oder "Sickweather" können spezifische Daten sammeln, haben aber oft nicht genügend Teilnehmer. Dem Robert Koch Institut lagen lange nur professionelle Einschätzungen der Ärzte vor, alte Statistiken verfehlten aber Kranke, die nicht zum Doktor gingen. Mischformen wie der Zugriff auf soziale Netzwerke müssen die Privatsphäre der Nutzer respektieren und es mangelt an Profi-Diagnosen.

Aufruf zum Händewaschen

In Europa könnte ein ambitioniertes Projekt einige dieser Schwächen ausräumen. Das "Influenza-Netz" hat sich vorgenommen, 50.000 freiwillige Teilnehmer zu rekrutieren, die wöchentlich über ihre Gesundheit berichten. Das ist eine ungewöhnlich hohe Menge an Versuchspersonen. Und wie es aussieht, könnte die europäische Kooperation ihr Ziel erreichen. Schon jetzt beteiligen sich gut 37.000 Menschen in den Niederlanden, Belgien, Großbritannien, Portugal, Italien und Schweden daran. In Deutschland und Frankreich stehen Influenza-Netz-Teilnehmerprojekte kurz vor ihrem Start, ebenso in der Schweiz und Österreich.

In den deutschsprachigen Staaten wird jedoch die Untersuchung unter dem Titel "Aktiv gegen Grippe" von dem Informatiker Markus Schwehn übersehen. Dieser hatte der Schweiz 2009 mit seinem Programm Influism assistiert, als es um die Frage ging, ob der Staat mit Massenimpfungen auf die Schweinegrippe reagieren solle. Schwehns Simulationen kamen zu dem Schluss, dass Aufklärungskampagnen und der simple Aufruf zum Händewaschen die bessere Lösung waren.

Website "Google Grippe-Trends"