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Gegen die weiße Kunst

Von Lea Luna Holzinger

Politik
Als Künstlerin, nicht als iranische Künstlerin will Asoo Khanmohammadi wahrgenommen werden.
© Holzinger

Vier Stipendien werden vergeben, unabhängig von der Staatsbürgerschaft.


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Wien. Srdan Knezevic ist Schriftsteller. Seit neun Jahren lebt er in Wien. Bisher konnte er seiner Tätigkeit nur eingeschränkt nachgehen. Um sich sein Leben zu finanzieren, arbeitete er in der Gastronomie und im sozialen Bereich. Er war von der Arbeit immer müde und konnte sich nicht auf das Schreiben konzentrieren. Das änderte sich, als er im Oktober 2013 ein Stipendium für seine künstlerische Arbeit bekam. Ein Jahr lang stehen ihm nun 1000 Euro im Monat zur Verfügung. "Kültür Gemma" heißt das Projekt der Stadt Wien, das Kunstschaffende mit Migrationshintergrund wie Srdan Knezevic unterstützt.

Die Initiative für "Kültür Gemma" ging von Klaus Werner-Lobo, dem Kultursprecher der Grünen aus. Künstler mit migrantischem Hintergrund konnten sich um eines von vier Arbeitsstipendien bewerben. "Die Arbeitsbedingungen in der Kultur sind insgesamt prekär, aber Migranten haben noch weniger Zugang zu Geld", sagt Marissa Lobo. Gemeinsam mit Catrin Seefranz und Galia Baeva leitet sie das Projekt. Neben dem erschwerten Zugang zu finanziellen Mitteln erleben laut Lobo Künstler mit Migrationshintergrund noch andere Ausgrenzungen. Netzwerke sind im Kunstbereich sehr wichtig, meint sie. Wenn man die richtigen Leute kennt, kommt man zu Aufträgen und kann Ausstellungen machen. Migranten hingegen verfügen selten über solche Kontakte.

So ging es auch Asoo Khanmohammadi. Die Fotografin kam vor drei Jahren aus dem Iran nach Österreich, um hier zu arbeiten und an der Universität für angewandte Kunst Fotografie zu studieren. Sie fühlte sich fremd in Wien, hatte kein Geld und kannte niemanden. Wie Knezevic arbeitete sie als Kellnerin, putzte und spülte Geschirr in einem Café. Zeit für die Kunst blieb da kaum. Vor knapp einem Jahr bekam sie einen der Stipendienplätze von "Kültür Gemma". Nun kann sie ihre Arbeit machen und muss sich nicht ums Geld sorgen.

"Gute Arbeitsbedingungen ermöglichen"

"Wir möchten den Stipendiaten für ein Jahr wirklich gute Arbeitsbedingungen ermöglichen", erklärt Catrin Seefranz. Als Kulturwissenschafterin stellt sie sich die Frage, wie man den Bereich Kunst und Kultur deprivilegieren kann, denn Kunst sei immer noch etwas für reiche Leute. Mit "Kültür Gemma" möchte sie erreichen, dass Künstler mit Migrationshintergrund ihre Arbeit machen können.

In Wien gebe es zwar ein gutes Fördersystem für Künstler, jedoch seien Künstler mit Migrationshintergrund häufig davon ausgeschlossen, so Seefranz. Für viele Förderungen braucht man den richtigen Pass und muss in der Lage sein, einen Projektantrag in deutscher Sprache zu verfassen. Mit "Kültür Gemma" soll ein anderes Förderungssystem vorgeschlagen werden. "Ein Fördermodell, das diese Ausschlüsse möglichst nicht produziert", sagt Seefranz. Die Kunstschaffenden können sich in jeglicher Sprache bewerben und auch der Pass spielt keine Rolle. "Es geht um die Selbstverständlichkeit im Bereich der Kultur zu arbeiten - egal, welchen Pass du hast", erklärt sie.

Migration sei im Kulturbereich ein großes Thema, dabei würden die Migranten aber immer als Rezipienten und nicht als Produzenten angesprochen: "Das kulturelle Feld ist stark mit den Fragen beschäftigt: ,Wie können wir die Migranten erreichen? Wie schaffen wir es, dass sie zu uns kommen?‘" Als Kunstschaffende werden Migranten laut Seefranz allerdings selten gesehen.

Die gebürtige Brasilianerin Lobo ist selbst Künstlerin. Sie sieht den Kunstbereich ebenfalls als eine Angelegenheit der Privilegierten. Außerdem ist sie der Ansicht, dass Kunst sehr weiß ist. "Eine schwarze Künstlerin wird immer als schwarze Künstlerin definiert." Von migrantischen Künstlern werde erwartet, ethnografische Kunst zu machen. Ein Umstand, der auch Asoo Khanmohammadi nervt: "Bei meinen Ausstellungen war immer der Iran das Wichtigste und nicht ich." Sie möchte jedoch als unabhängige Künstlerin und Frau gesehen werden und nicht als iranische Künstlerin. Khanmohammadi macht Dokumentarfotografie. In Teheran fotografierte sie transsexuelle Menschen. In einem weiteren Projekt bildete sie die Schauplätze von Selbstverbrennungen junger Frauen im Iran ab.

Mit ihrer aktuellen Arbeit, die sie im Rahmen von "Kültür Gemma" realisiert, knüpft sie daran an: Sie sucht Orte auf, an denen Frauen in den 1980er Jahren von Männern ermordet wurden. Sieben Monate recherchierte sie im Polizeiarchiv und im Landesgericht, arbeitete sich durch Aktenberge und lernte für sie neue Worte wie "erstochen", "erwürgt" oder "Alibi". Sie möchte sich selbst an diesen Tatorten fotografieren und so erreichen, dass diese Frauen in ihren Fotos lebendig bleiben. "Das ist ein Wunsch von mir." Was ihr an dem Projekt besonders gut gefällt, ist, dass es nichts mit dem Iran zu tun hat. "Es ist ganz von hier."

In zehn Jahren Teil der Szene

Srdan Knezevic wird in diesem Jahr seinen Roman fertigschreiben und veröffentlichen. Es ist eine Geschichte über Migration, Identität und Homosexualität. Zu viel will er noch nicht verraten. Er möchte mit dem Roman einen Fuß in die deutschsprachige Literatur setzen. Er hofft, dass "Kültür Gemma" insgesamt die Wiener Kunstszene verändert: "Schließlich wird das Stipendium jedes Jahr vergeben - in zehn Jahren werden wir Menschen mit Migrationshintergrund ein Teil der Kulturszene in Wien sein, und das ist wichtig, denn dadurch wird sie bunter und schöner."

Im April 2013 wurden die ersten vier Stipendien vergeben. Im Oktober desselben Jahres gab es eine weitere Ausschreibung. Ab März 2014 können sich wieder Künstler mit Migrationshintergrund um eines der vier Stipendien bewerben.

Projekt der Stadt Wien "Kültür Gemma"