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"Gegen die weltweite Flaute einen Exportturbo in Österreich zünden"

Von Erika Bettstein

Wirtschaft

Österreichs Wirtschaftswachstum - und damit der Weg zum Null-Defizit - werde von einer verringerten Exportdynamik beeinträchtigt, die durch die merkliche Abkühlung der Konjunktur in den USA (von 3 auf 1,5%) ebenso wie in Europa (von 3,3 auf 2,3%) bedingt sei. Als "Promoter der Wirtschaft" wolle die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) nun gegen die Wachstumsflaute mit verschiedenen Maßnahmen einen "Exportturbo gegen die Wachstumsflaute zünden", erklärte WKÖ-Präsident Christoph Leitl am Mittwochabend bei einem Hintergrundgespräch vor Journalisten.


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Ein Abrücken vom Null-Defizit-Ziel ist für Leitl nicht einmal eine Denkvariante, denn: "Andere europäische Länder haben das schon erreicht bzw. lukrieren Haushaltsüberschüsse und können investieren." Angesichts der ohnehin sehr niedrigen Investitionsquote in Forschung & Entwicklung (F&E) würde Österreich sonst ein weiterer Wettbewerbsnachteil erwachsen. Daneben geht es Leitl auch um die Steurreform 2003 als Ausgleich für den Beitrag der Wirtschaft zum Null-Defizit, die neben einer Senkung der Lohnnebenkosten auch eine Steuerbegünstigung für nicht aus den Betrieben entnommene Gewinne beinhalten soll: Die Eigenkapitaldecke vor allem der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Österreich sei "katastrophal", man müsse diese - auch mit Blick auf Investitionsmöglichkeiten - bei der Verbesserung der Kapitalsituation unterstützen.

30.000 Betriebe sollen ihre Exportfähigkeit prüfen

Nur etwa 5% oder 15.000 der rund 300.000 heimischen Betriebe seien im Außenhandel aktiv, erklärte der stv. WKÖ-Generalsekretär und Leiter der Außenwirtschaft, Egon Winkler. Aus einer Mitgliederuntersuchung sei hervorgegangen, dass es ein hohes Potenzial exportfähiger KMU gebe, 30.000 sollen als Erstmaßnahme per WKÖ-Brief einen Anstoß zur Entwicklung ihrer "Exportwilligkeit" erhalten und in einem "Selbst-Check" an Hand eines Anforderungsprofils ihre Exporttauglichkeit überprüfen.

Unterstützung dafür soll von einem Call Center, das Kontakte zwischen interessierten Unternehmern und Außenhandelsexperten herstellt, sowie von einer WKÖ-E-Business-Plattform kommen, auf der rund 500.000 Kontaktadressen für ausländische Märkte zur Verfügung stehen. Forciert werden sollen auch weitere Cluster, mit deren Hilfe laut Leitl "ganze Branchen hinaus begleitet" werden sollen. Aber nicht nur die Zahl der exportierenden Unternehmen will Leitl erhöhen, es sollen auch bereits etablierte Exporteure in neue Märkte geführt werden, wozu die WKÖ mit verstärkten Wirtschaftsmissionen "unter Einbindung aller nur möglichen politischen Repräsentanten" beitragen möchte. Dies wäre - verbunden mit einer entscheidenden Vergrößerung der F&E-Investitionen - auch die Grundlage für nachhaltige Exportsteigerungen", ergänzt Winkler. 100 Mill. Schilling (7,27 Mill. Euro) will die Kammer aus eigenen Mitteln dafür beistellen, auch die Bundesländer sollen einen Beitrag leisten.

Ziele. 6% Exportsteigerung, 40% Exportquote

Erzielt werden soll ein Exportwachstum von 6% (nach 4%). "Wenn das gelingt, beträgt das Wachstum in Österreich 2,8% statt der jetzt revidierten Prognose von 2,1%", so Leitl. Das bedeute 8 Mrd. Schilling mehr Steuereinnahmen - und jeder Prozentpunkt mehr Export bringe bis zu 10.000 neue Jobs. "Wir wollen in die Top Ten Exportnationen der OECD aufsteigen", bis 2005 soll die Exportquote auf 40% (derzeit 34%) des BIP gesteigert werden, formuliert Leitl ehrgeizige Ziele. "Österreich ist zu stark Europa-fixiert", sagt Leitl - vor allem Übersee-Märkte oder Länder mit einer starken Wachstumsdynamik wie China oder Russland sollten verstärkt bearbeitet werden. Andere EU-Länder verfügten dort über deutlich mehr Marktanteile.

Als "Kriterium der wirtschaftlichen Vernunft" bezeichnete Leitl den Vorstoß von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein, eine Art "Saisonnier-Regelung" auch auf andere Branchen auszudehnen. "Nicht abschütteln" lassen will sich Leitl in Sachen Fachkräftemangel: "So, wie sich eine frühere Regierungspartei daran gewöhnt hat, dass die Wirtschaft Gewinne machen muss, so wird sich eine jetzige Regierungspartei daran gewöhnen müssen, dass wir mehr Fachkräfte brauchen, als wir im Inland haben".

Für "qualitativ sinnvoll" hält Leitl ein Zuwanderer-Punktesystem à la Deutschland oder Kanada, auch zeitlich begrenzter Zuzug wäre "als allerletztes Mittel" denkbar. FPÖ-Klubchef Peter Westenthaler lädt er ein, "in die Betriebe zu gehen und mit den Unternehmern zu reden, die Aufträge nicht annehmen können, weil sie trotz unseres funktionierenden Arbeitsmarktservices keine qualifizierten Leute finden können".