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Gegen "gute" und "böse" Terroristen

Von Markus Rapp

Politik

Wien - Auf der internationalen Sicherheitskonferenz zum Kampf gegen den Terror, zu der Verteidigungsminister Herbert Scheibner letzte Woche geladen hatte, herrschte zwischen hochrangigen NATO-Vertretern und Gästen aus islamischen Mittelmeerländern, vom Balkan und aus Zentralasien Einigkeit darüber, dass Solidarität, Kooperation und Wachsamkeit die dringendsten Gebote der Stunde sind, wenn Bevölkerungen und Werte der zivilisierten Welt vor politischen Kriminellen geschützt werden sollen. Dass der Islam keine Terror-Religion ist, hätte nicht extra betont zu werden brauchen. Einige Diskussionsbeiträge warfen aber auch heikle Fragen auf.


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Scheibner, der Österreich zum einen bündnisreif und zum anderen, in kaiserlich-Kreisky`scher Tradition, als "möglichen Vermittler zwischen Europa und der arabischen Welt" einzuführen bemüht war, umschrieb in seiner Eröffnungsrede die weitreichende Diagnose wie folgt: Gegenüber dem Terror "gibt es kein Abseitsstehen und keine Neutralität".

NATO-Generalsekretär George Robertson strich die allgemeine, diffuse Bedrohung ebenfalls heraus. Es geht in Zeiten der ABC-Waffen, im Gegensatz zu früherem (Selbstmord-) Terror, nicht mehr nur gegen einzelne Systemrepräsentanten, sondern gegen Zivilbevölkerungen. Einmal mehr bestätigte Robertson den Wandel im Selbstbild der NATO: Schien das Bündnis nach dem Ende des Kalten Krieges manchen schon obsolet geworden, so hat seit dem 11. September 2001 der "Kampf gegen den Terrorismus höchste Priorität in der neuen Agenda der NATO". Er ergänzte sogleich das oft Angemahnte: Nämlich, dass man diesen Kampf nicht ausschließlich mit militärischen Mitteln führen könne. Polizeien und Geheimdienste, Finanzfahndung und Diplomatie werden wohl die wichtigste Rolle spielen. Denn nicht jeder Terrorismus ist militärisch oder staatlich organisiert. Die NATO arbeite auf verschiedenen "Plattformen" mit anderen Staaten (hier lobte er Österreich als "wichtiges Mitglied und Nutznießer" der NATO-Partnerschaft für den Frieden) und Organisationen (wie UNO und OSZE) zusammen. Im übrigen müsse man flexibler und schlagfertiger werden, wie beim jüngsten NATO-Außenminister-Treffen beschlossen.

Amr Moussa, Generalsekretär der Arabischen Liga, versuchte mit einer Relativierung der Terrorgefahr auch die Ursachen ins Blickfeld zu rücken: Für die Länder des Südens gälten "andere Übel" als weitaus schrecklicher: Armut, Hunger, Infektionskrankheiten. Mit dem Hinweis auf den Nahost-Konflikt schloss sich der Kreis: Ohne Lösung für die Palästinenser könne es keine Sicherheit im gesamten Mittelmeerraum geben. Moussa sieht die arabische Welt im Kampf gegen den Terror "entschieden auf der Seite des Westens", fordert jedoch eine "gemeinsame Definition" des "internationalen Terrorismus".

Wer definiert "Terror"?

Hier spießt es sich: Wer definiert, was Terror ist und was Freiheitskampf? Selbst die UNO, die das Phänomen im Anschluss an die Anti-Terror-Resolution 1373 vom 1. 10. 2001 rechtlich und moralisch einzugrenzen versuchte, hat inzwischen erstmal aufgesteckt.

Smail Hamdani, Vorsitzender der algerischen NRO "Gesellschaft für internationale Beziehungen", hofft nach dem 11. September auf eine neue "Gewissensbildung": Er erinnerte daran, dass es auch vor diesem Datum Terror gegeben habe und nannte für sein Land die Zahl von 100.000 Toten; das habe den Westen aber kaum interessiert. Oft genug sei Terror geduldet, nicht selten seien Terroristen unterstützt worden. Er brachte das Beispiel eines Mörders aus den Reihen des algerischen Groupe Islamique Armé (GIA), der in den 90-er Jahren in Kanada politisches Asyl erhalten habe, nach dem 11. 9. 2001 aber ausgewiesen worden sei. Hamdani forderte die "Unteilbarkeit der Sicherheit und Legalität" für alle Menschen ein - das Ende einer Unterscheidung zwischen "guten" und "bösen" Terroristen. Wenn er sagt, es dürfe nicht länger mit zweierlei Maß gemessen werden, und Gerechtigkeit müsse die Einschätzung von Terror bestimmen, so sind damit die USA gemeint, die trotz gegenteiliger Beteuerungen noch immer allein zu bestimmen versucht sind, wer als Terrorist zu gelten habe.

Benoît d`Aboville, ständiger Vertreter Frankreichs beim NATO-Rat, dachte laut darüber nach, wie weit das Bündnis im Anti-Terror-Kampf jeweils gehen könne und solle. Muss die Staatenwelt wegen der Terrorbekämpfung etwa in Zukunft Abstriche in der Souveränität hinnehmen? Zu Präventionsschlägen gab er zu bedenken, dass solche das Recht unterhöhlen könnten; erst müssten alle diplomatischen und politischen Mittel ausgeschöpft werden. Das ist Europas bekannte Position zum Fall Irak.