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Gegen "schreckliche Vereinfacher"

Von Heiner Boberski

Wissen

Rudolf Taschner erklärt, warum Verständnis für Forschung so wichtig ist.


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Wien. Dass die Forschung heute mehr als früher an die Öffentlichkeit gehen muss, ist für den Wiener Mathematiker Rudolf Taschner im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" völlig klar: "Weil sie teuer ist. Die Forschung muss sich rechtfertigen."

Als Beispiel für den einstigen, von der Welt abgehobenen "Forscher im Elfenbeinturm" nennt Taschner den französischen Mathematiker Pierre de Fermat aus dem 17. Jahrhundert, der von Beruf Rechtsanwalt war: "Er hat eine berühmte Vermutung aufgestellt, einen Beweis dafür aber nicht publiziert. Erst der Brite Andrew Wiles, auch so ein Elfenbeinturm-Forscher, fand Ende des 20. Jahrhunderts nach langem Tüfteln einen Beweis - ohne Computer, mit Bleistift und Papier, so eine Forschung kostet nicht viel. Wenn man finanziell unabhängig ist, kann man sich den Elfenbeinturm leisten, sonst muss man sich rechtfertigen."

Auch die Experimente von Michael Faraday im 19. Jahrhundert hätten vergleichsweise wenig gekostet, "aber selbst der brauchte Förderung. Als er seine Ergebnisse deshalb dem Finanzminister vorstellte, hat der gefragt: ,Wozu ist das gut?‘ Faraday antwortete: ,Herr Minister, in ein paar Jahrzehnten werden Sie dafür Steuer einheben können.‘ Das ist keine schlechte Antwort."

Dass bei einer Umfrage vor einigen Jahren als bekannteste Wissenschafter des Landes neben dem Physiker Anton Zeilinger der Politiker und Journalist Josef Broukal und der damalige Operndirektor Ioan Holender genannt wurden, nimmt Taschner, der mit seinem "math.space" im Wiener Museumsquartier Mathematik populär macht, nicht tragisch: "Die einen stellen Waren her, die anderen verbreiten sie, auch in der Forschung. Ich selbst bin Verbreiter und nicht bekannt durch große neue Erkenntnisse. Für Verbreiter ist wichtig, dass ihr Name bekannt ist. Insofern ist der Name Broukal nicht so schlecht, er war ja mit seiner Sendung ,Modern Times‘ ein bekannter Verbreiter."

"Ich möchte vor allem wissen und verstehen"

Wenn man Wissenschaft verbreiten wolle, so Taschner, müsse man sich "in die Gedankenwelt von Menschen versetzen, die Wissenschaft nur peripher interessiert. Die erste Frage ist: Wie gewinne ich Interesse? Und dann: Am Ball bleiben. Man muss eine Botschaft vermitteln und muss sie mehrfach wiederholen."

Für Taschner sollte am besten der Forscher selbst authentisch über sein Fach sprechen und damit seine eigene Leidenschaft für die Fragestellungen spüren lassen. "Man forscht, um zu wissen oder um zu können. Heute ist mehr das Können gefragt: Welche Medikamente werden wir anwenden, welche Geräte werden wir bauen, welche Patente werden wir anmelden können? Das ist nicht so meines, ich möchte vor allem wissen und verstehen."

"Das Schlimmste sind Dummheit und Aberglaube"

Das "Gütesiegel einer großen Universität" ist für Taschner die Verbindung von Forschung und Lehre: "Zu den Studenten spricht einer, der weiß, was Forschung bedeutet, einer, der mehr ist als nur Lehrer." Wenn Österreich sich um Spitzenforschung bemühe, sei nicht ein Nobelpreis das Ziel: "Es geht darum, neue Produkte zu entwickeln, die man sich heute noch gar nicht vorstellen kann." Das Klima, das durch Spitzenforschung, durch Denken auf hohem Niveau in einem Lande entstehe, bringe zusätzlich kluge Leute ins Land und helfe auch politisch, um nicht den "schrecklichen Vereinfachern" ausgeliefert zu sein. Kritische, skeptische Menschen hält Taschner für sehr wichtig: "Das Schlimmste sind Dummheit und Aberglaube."