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Gegen Vorgaben aus Brüssel hat die Medizin noch kein Mittel gefunden

Von Heiner Boberski

Analysen

Der neue Wissenschaftsminister Johannes Hahn ist nicht zu beneiden. Neben den anhaltenden Protesten gegen die Studiengebühren hat er es, wenn die Nachrichten aus Brüssel zutreffen, bald mit einem weiteren Problem zu tun, das schon erledigt schien: den Zugangsbedingungen zum Medizinstudium.


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Derzeit sind in Österreich 75 Prozent der Studienplätze für Inhaber österreichischer Maturazeugnisse reserviert, 20 Prozent für EU-Bürger und fünf Prozent für Nicht-EU-Bürger. Nun wird erwartet, dass die EU-Kommission nächsten Mittwoch Österreich wegen dieser Regelung erneut vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zitiert, weil damit nicht alle Bewerber um einen Studienplatz die gleichen Chancen besitzen. Und der EuGH könnte Österreich gleich ein Bußgeld aufbrummen, weil es einem frühren EuGH-Urteil vom Juli 2005 nicht korrekt Rechnung getragen habe.

Dieses Urteil hatte die bis dahin gültige österreichische Regelung aufgehoben, in Österreich dürfe ein Fach nur derjenige studieren, der auch im eigenen Land für dieses Fach zum Studium zugelassen ist. Das bedeutete bis dahin, dass vor allem viele Deutsche, die am strengen Numerus clausus (Studienplatz nur bei entsprechend gutem Reifezeugnis) in ihrer Heimat gescheitert waren, auch in Österreich in überlaufenen Studien, in erster Linie Medizin, keinen Studienplatz erhalten konnten.

Doch dann galt das nicht mehr, und sie kamen, die Deutschen. Man erinnert sich, wie panikartig damals Österreichs Medizin-Unis dem Prinzip "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst" huldigten und stur nach Einlaufstempel Studienplätze vergaben, auch wenn dabei Menschen mit lauter "Sehr gut" im Reifezeugnis auf der Strecke blieben.

In heißen Diskussionen prallten elitäre Standpunkte (die Universitäten sollen sich ihre Studierenden selbst auswählen können - wir brauchen Qualität) und populistische Parolen (freier Hochschulzugang für alle - wir brauchen mehr Akademiker) aufeinander. Für die Medizin schien mit der Quotenregelung (wie es sie auch im zweisprachigen Belgien gibt, das nun auch einer EU-Beurteilung harrt) ein halbwegs tragbarer Kompromiss gefunden.

Hat man die Rechnung ohne den Wirt - ohne Brüssel - gemacht? Bleibt man dort stur bei der Forderung: Gleiche Rechte für alle an allen Orten?

Der freie Hochschulzugang, den Österreich nicht lückenlos (für Kunst- und Sportstudien gibt es seit jeher strenge Aufnahmeprüfungen), aber weitgehend lange Zeit aufrecht erhalten hat, mag als Ideal wünschenswert sein. Im vereinten Europa, wo jeder Staat um seine Position kämpfen muss, wird er zur Illusion.

Kleine Staaten wie Österreich können es sich nicht leisten, freien Hochschulzugang - womöglich sogar zum Nulltarif - anzubieten und damit eventuell mehr ausländische als inländische Akademiker auszubilden. Das mag einem nicht gefallen, dagegen mag man protestieren - aber an der richtigen Adresse: in Brüssel, nicht in Wien. Seite 5