Im Jahr 1517 reisten erstmals portugiesische Diplomaten nach China.Doch diese Begegnung zwischen dem Osten und dem Westen nahm einen tragischen Verlauf.
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China und Europa sind heute wirtschaftlich miteinander verflochten wie nie zuvor. Kaum mehr vorstellbar, dass der erste diplomatische Kontakt eines europäischen Staates mit dem "Reich der Mitte" noch nicht einmal 500 Jahre zurück liegt: Im Jahr 1517 wurde China erstmals von einer Delegation Portugals erreicht. Die erfolgsverwöhnten Seefahrer und Eroberer trafen auf eine hochentwickelte, aber auch in vieler Hinsicht zutiefst fremdartige Kultur.
Schon in der Antike war "Seres", das Land der Seide im fernen Osten Asiens, den griechischen und römischen Geographen ein Begriff. Das Römische Reich war ebenso bei den Chinesen unter dem Namen "Daqin" bekannt. Erst mit der Ausbreitung des Islam in Vorderasien im 7. Jahrhundert wurden diese Verbindungen weitgehend unterbrochen.
Der Vorstoß der Mongolen bis Osteuropa im 13. Jahrhundert öffnete neuerlich den Weg nach China. Die stabilen Verhältnisse im mongolischen Großreich unter Kublai Khan und seinen Nachfolgern förderten den Aufbau von Handelsbeziehungen mit China, besonders durch die Venezianer und Genuesen. Den Händlern folgten die Missionare; schon im Jahr 1307 wurde vom Papst der erste katholische Erzbischof von Peking eingesetzt. Doch der Sturz der Mongolenherrscher und die Machtübernahme der chinesischen Ming-Dynastie im Jahr 1370 beendeten jäh diese kurze Periode des Austausches.
Portugals Expansion
Dass kaum 150 Jahre später ausgerechnet das kleine Portugal direkte Verbindung mit dem "Reich der Mitte" aufnehmen sollte, zählt sicher zu den überraschenden Wendungen der Weltgeschichte. Doch nachdem Vasco da Gama 1498 Indien erreicht hatte, war es Portugal innerhalb eines Jahrzehnts gelungen, den Indischen Ozean unter seine Seeherrschaft zu bringen. Der Handel mit Gewürzen, Gold und Sklaven brachte den Portugiesen bald ungeheure Profite. Im Jahr 1511 eroberten sie auch den Handelsknotenpunkt Malakka an der Meerenge zwischen der malaiischen Halbinsel und Sumatra. Damit lag auch der Weg nach China offen.
Bereits 1513 erreichte Jorge Alvarez als erster Portugiese an Bord einer malaiischen Dschunke die Küste Südchinas. Weitere Seefahrer folgten und berichteten Wunderdinge über die Handelsmöglichkeiten in der Hafenstadt Kanton (heute Guangzhou) an der Mündung des Perlenflusses. Daher ordnete König Manuel I. von Portugal die Entsendung einer diplomatischen Delegation an, um offizielle Beziehungen mit dem "Reich der Mitte" aufzunehmen.
Mit der Leitung der Delegation wurde Tome Pires, der Verwalter für Gewürze und Heilkräuter der königlichen Faktorei in Malakka, betraut. Pires war kein Diplomat, sondern ein Mann der Wissenschaft, früher Apotheker am Königshof in Lissabon. Er hatte nach längerem Aufenthalt in Asien im Jahr 1515 die erste portugiesische Beschreibung der Länder um den Indischen Ozean mit dem Titel "Suma Oriental - Ein Bericht über den Osten, vom Roten Meer bis China" verfasst. Vermutlich empfahlen ihn die darin gesammelten Kenntnisse als Botschafter.
Doch schon der Beginn seiner Mission stand unter keinem guten Stern: Die Flotte, mit der die Delegation von Malakka nach Kanton segeln sollte, wurde durch aufkommende Stürme auf halbem Weg zur Umkehr gezwungen. Im Juni des folgenden Jahres setzte man ein zweites Mal die Segel. Am 15. August 1517 erreichte die portugiesische Flotte die Mündungsbucht des Perlenflusses an der südchinesischen Küste. Hier kam es zu einem ersten Zwischenfall: Vor der Bucht kreuzten Dschunken der kaiserlichen Marine, welche die fremden Schiffe für japanische Piraten hielten und sie unter Beschuss nahmen. Nur mit Mühe konnte Flottenkommandant Peres de Andrade die Chinesen von seinen friedlichen Absichten überzeugen. Die Flotte musste bei der Insel Tamao (heute Lintin Island), dem Anlaufpunkt für ausländische Handelsschiffe, vor Anker gehen.
Erst nach längeren Verhandlungen erhielt man Lotsen für die Einfahrt nach Kanton. Dass die portugiesischen Schiffe dort beim Auswerfen der Anker nach europäischem Seefahrtsbrauch alle Flaggen hissten und einen Ehrensalut abfeuerten, war Anlass zu einem neuerlichen Missverständnis: Die Chinesen fassten dies als eine anmaßende Machtdemons-tration auf. Erst nach umständlichen Erklärungen und Beschwichtigungen erhielt Botschafter Pires vom Provinzgouverneur die Erlaubnis zum Ausschiffen.
Er wurde mit seiner siebenköpfigen Gefolgschaft in einem staatlichen Gästehaus untergebracht. Die Ankunft der ausländischen Gesandtschaft musste nun in Peking gemeldet werden, denn nur mit Zustimmung vom Kaiserhof durften sich Gesandte auf den Weg zum Herrscher des "Reichs der Mitte" machen.
Die lange Wartezeit
Die portugiesische Flotte unter Peres de Andrade setzte Anfang 1518 mit dem Wintermonsun die Segel für die Rückfahrt nach Malakka. Zuvor war vereinbart worden, Tome Pires im folgenden Jahr wieder in Kanton abzuholen. So traf im Frühsommer 1519 wieder eine portugiesische Flotte in Tamao ein. Sie stand unter dem Befehl von Simao de Andrade, dem Bruder von Peres de Andrade. Doch dieser traf die Gesandtschaft unverrichteter Dinge an: Sie wartete immer noch auf die Reiseerlaubnis aus Peking!
Auch wenn Simao de Andrade darüber entrüstet war, entschuldigt dies nicht, dass er sich in der Folge als rücksichtsloser Grobian betrug. In Missachtung der Souveränität der Chinesen ließ er auf der Insel Tamao ein Fort errichten und ging gegen chinesische Beamte tätlich vor. Überdies kaufte er chinesische Kinder als Sklaven, bevor er sich auf die Rückfahrt machte. Dies alles sollte der portugiesischen Sache einen schlechten Dienst erweisen.
Im Jänner 1520 erhielt Tome Pires - nach zwei Jahren des Wartens in Kanton - endlich die Bewilligung vom Kaiserhof zur Reise nach Peking. Mit Zwischenaufenthalten benötigte die Delegation bis dorthin mehr als ein halbes Jahr. Inzwischen waren längst Berichte über die Untaten von Simao de Andrade am Kaiserhof eingelangt. Zudem hatte der frühere Sultan von Malakka von der Mission der Portugiesen Wind bekommen: Als ehemaliger Vasall ersuchte er den chinesischen Kaiser nun durch einen Emissär um Beistand gegen die portugiesischen "Seeräuber", die ihn aus Malakka vertrieben hatten. Zudem warnte er, dass die Portugiesen unter dem Vorwand von Handelsbeziehungen Länder vorerst auskundschaften würden, um sie hernach zu erobern.
In Peking schlug den "fo-lang-chi", wie die Portugiesen von den Chinesen genannt wurden, daher unverhohlenes Misstrauen entgegen. Ihre Unkenntnis des chinesischen "Tributsystems" führte zu weiteren Schwierigkeiten mit den kaiserlichen Beamten, den Mandarinen: Botschafter fremder Länder durften nämlich nur zur Entrichtung von Tribut vor den "Sohn des Himmels" und damit obersten aller Herrscher treten. Doch das Schreiben von König Manuel I. von Portugal an den Kaiser, das bei Hof übersetzt wurde, ließ die üblichen Unterwerfungsfloskeln vermissen; es war als Botschaft unter gleichrangigen Souveränen abgefasst. Zwar schien Kaiser Zheng De selbst diese Unkenntnis entschuldigen zu wollen; aber bevor es zu einer Audienz kommen konnte, starb er im April 1521 an den Folgen eines Jagdunfalls. Sein halbwüchsiger Nachfolger Jiajing befahl unter dem Einfluss der ausländerfeindlichen Mandarine die sofortige Abreise der Delegation.
Zugleich erging die Weisung nach Kanton, alle Portugiesen als Feinde zu behandeln. Als mit dem Sommermonsun neuerlich portugiesische Schiffe in Tamao eintrafen, wurden diese von den Chinesen angegriffen, die Besatzungen getötet oder gefangen genommen.
Ähnlich erging es Tome Pires und seinen Gefährten bei der Rückkunft nach Kanton: Der Provinzgouverneur verlangte von ihm, ein Schreiben an die Portugiesen in Malakka mit der Aufforderung zu verfassen, die Stadt wieder dem früheren Sultan zu übergeben. Als Pires dies ablehnte, wurden auch er und seine Gefährten ins Gefängnis geworfen.
Das blutige Ende
In der Zwischenzeit hatte König Manuel I. in Lissabon - ohne Kenntnis der Geschehnisse in Kanton - eine weitere Gesandtschaft auf den Weg nach China geschickt. Obwohl die Flotte in Malakka vom schlimmen Schicksal der ersten Mission erfuhr, setzte man die Fahrt fort und ging im August 1522 bei Tamao vor Anker. Kommandant Afonso de Melo Coutinho versuchte mit dem Provinzgouverneur Verbindung aufzunehmen, um den Verbleib von Tome Pires in Erfahrung zu bringen, doch ohne Erfolg. In einer Seeschlacht mit chinesischen Dschunken verloren die Portugiesen drei Schiffe, dem Rest der Flotte blieb nur die Flucht zurück nach Malakka.
Tome Pires war zu diesem Zeitpunkt bereits seit einem Jahr in Gefangenschaft. Zermürbt verfasste er nun doch ein Schreiben mit der Forderung nach dem Abzug der Portugiesen aus Malakka. Aber seine Hoffnung auf Freilassung erfüllte sich nicht. Im September 1523 traf vielmehr aus Peking die Anweisung ein, alle portugiesischen Gefangenen zu töten. Mit ihrer Hinrichtung fand die erste Kontaktaufnahme zwischen Portugal und China vorerst ein blutiges Ende.
Botschafter Pires selbst wurde offenbar verschont, aber sein weiteres Schicksal verliert sich im Dunkel der Geschichte: Eine Quelle berichtet, er sei 1524 im Kerker von Kanton einer Krankheit erlegen. Andere Hinweise lassen vermuten, dass er noch lange Jahre als Verbannter in einer Provinz Zentralchinas lebte. Seine Heimat sah der glücklose Botschafter niemals wieder.
Erst im Jahr 1557 erreichte Portugal schließlich die Erlaubnis, gegen jährliche Tributzahlungen in Macao einen Handelsposten einzurichten. Macao entwickelte sich in der Folge zum Zentrum der portugiesischen Präsenz in Ostasien und wurde erst im Jahr 1999 - als letzte europäische Kolonie - offiziell wieder an China übergeben.
Christoph Braumann geboren 1952, ist Referatsleiter für Landesplanung beim Amt der Salzburger Landesregierung.