Seit den Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 ist Irans Establishment zerstritten. Die Sanktionen drücken und der Beginn des lange angekündigten drastischen Subventionsabbaus wird von Woche zu Woche verschoben, während die Preise drastisch steigen. Derweil belauern einander die diversen Fraktionen der iranischen Elite, von der unterdrückten Wut der Bevölkerung ganz zu schweigen. Verhaftungen, Repression, Vorwürfe, Warnungen, Gegenvorwürfe - die Islamische Republik steckt in einer Sackgasse.
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Nach außen sieht es anders aus. Im Atomstreit bleibt der Iran unnachgiebig und bietet dem Westen die Stirn. Ein Stopp der Urananreicherung stehe nicht zur Debatte, stellte Staatschef Mahmoud Ahmadinejad nach der jüngsten Gesprächsrunde zwischen dem Westen und den Persern klar. Doch so hart und protzig Ahmadinejad auch nach außen wirken mag, innenpolitisch bläst ihm Gegenwind aus den eigenen Reihen entgegen, wie er so noch nicht dagewesen ist.
Eineinhalb Jahre nach seiner umstrittenen Wiederwahl kämpft der einstige "Robin Hood" mit einer wirtschaftlichen und innenpolitischen Krise im Gottesstaat. Seine wichtigste Stütze innerhalb des Systems, der oberste Führer Ayatollah Ali Khamenei, hält nicht mehr bedingungslos in allen Fragen zu seinem früheren Schützling. Teile der paramilitärischen Bassijmilizen haben ihm - wie auch die Revolutionsgarden - offen ihr Misstrauen ausgesprochen, weil sie daran zweifeln, ob er die außenpolitische und wirtschaftliche Problematik meistern kann. Die Enttäuschung ist groß.
Ahmadinejads Gegenspieler im Machtapparat, allen voran der Larijani-Clan (Ali ist Parlamentspräsident und Khamenei-Berater, Sadegh ist Justizchef), aber auch Teherans Bürgermeister Bagher Ghalibaf und die Pragmatiker rund um Ex-Präsident Ali Rafsanjani haben sich zusammengeschlossen und führen dem Präsidenten immer wieder vor, welch katastrophale Folgen seine Politik hat. Sogar Rücktrittsforderungen konnte man im iranischen Parlament (Majles) schon vernehmen. "Stellen wir uns einmal die Frage, wie weit wir uns von unserer wichtigsten Stütze, dem Volk, entfernt haben. Willkür regiert das Land, und das ist Gift", warnt Rafsanjani. Ahmadinejad selbst zeigt sich unbeeindruckt von dieser Kritik und versucht, auf dem Parkett der Weltpolitik zu punkten. Besonders zu erkennen ist dies im Nahen und Mittleren Osten.
Während Washington sich sukzessive aus der regionalen Verantwortung verabschiedet, streckt Teheran seine Fühler aus und macht aus seinen Hegemonialbestrebungen kein Geheimnis. Dies wiederum stößt inneriranisch auf wenig Gegenliebe: "Anfangs war ich so begeistert von ihm, als Held gegen die Korruption und für die Armen haben wir ihn gefeiert, jetzt reist er herum und verteilt Almosen. Anstatt sich um die Region zu kümmern, sollte er lieber schauen, dass sein Volk genug zu essen und Arbeit hat und, dass nicht alle im Ausland die Augen verdrehen, wenn man das Wort Iran in den Mund nimmt", spöttelt ein Revolutionsgardist im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".