)
Der IS hat im Inselstaat Fuß gefasst. Täglich gibt es Proteste gegen die Inhaftierung von Oppositionschef Ali Salman.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Bahrain. Auch an diesem Freitag werden wieder viele Schiiten in Bahrain gegen das sunnitische Königshaus protestieren. Doch es hat sich etwas geändert. Der Tod von Saudi-Arabiens 91-jährigem König Abdullah bin Abdulaziz kam für den ölreichen Inselstaat Bahrain zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt.
Mit Abdullah hatte man einen verlässlichen Partner, der den Einfluss der Sunniten in der Region in den Vordergrund stellte. "Nur der Iran darf nicht zu mächtig werden, also haltet die schiitische Mehrheit in eurem sunnitischen Land an der kurzen Leine", soll er zu bahrainischen Diplomaten immer wieder gesagt haben. Nun ist Salman (79) neuer saudischer König. Er will Abdullahs Politik zwar fortsetzen, aber die Vorzeichen in der Region, in Saudi-Arabien und in Bahrain selbst haben sich in den vergangenen acht Wochen grundlegend verändert.
Wie ein Krebsgeschwür
Der Islamische Staat (IS) breitet sich wie ein Krebsgeschwür aus und hat auch im Inselstaat Bahrain so weit Fuß gefasst, dass er zum Problem wird. Außerdem sehen sich Saudi-Arabien und andere sunnitische Länder in der Region längst mit einem erstarkten Iran konfrontiert. Diesen rauen Gegenwind spürt auch Bahrain immer stärker. Bezeichnend für diese Entwicklung ist die Verurteilung des Menschenrechtlers Nabeel Rajab. Zwei Jahre Haft hat er bereits hinter sich, jetzt soll er erneut für sechs Monate hinter Gitter. Das Gericht begründete sein Urteil damit, dass Rajab die Institutionen des Landes verunglimpft habe. Der Verurteilte hatte auf Twitter mitgeteilt, bahrainische Sicherheitskräfte kämpften an der Seite der IS-Terrormiliz im Irak und in Syrien.
Als führender schiitischer Menschenrechtsaktivist ist er der Führung ein Dorn im Auge. Seit Jahren setzt er sich für die Rechte seiner Konfession ein. "Es geht um Demokratie, Gerechtigkeit, Gleichheit, Freiheit. Die Leute wollen ein Parlament, das tatsächliche Macht hat, sie wollen eine gewählte Regierung", erklärte er vor einigen Wochen im Interview mit der "Deutschen Welle".
Rajab ist nicht der einzige Fall. Erst vor wenigen Wochen wurde der schiitische Oppositionschef Scheich Ali Salman verhaftet. Staatsanwalt Najed Mahmud warf ihm vor, mit "Gewalt, Drohungen und illegalen Mitteln" zum Sturz der bahrainischen Regierung angestachelt zu haben.
Hilft Bahrain dem IS?
Im Prozess gegen Rajab geht es um mehr als Konfessionen. Den Vorwurf, Spezialkräfte des Landes kämpften an der Seite des IS, hat die Regierung zurückgewiesen, denn Bahrain ist offiziell Teil der internationalen Koalition, die unter US-Führung den IS in Syrien und im Irak bekämpft.
Allerdings tauchte im September 2014 im Internet ein Video auf, das vier junge Dschihadisten mit Kalaschnikows in einer Wüstenlandschaft zeigte - offensichtlich bahrainische Milizen. Mit ihnen präsentierte sich ein ehemaliger Offizier des bahrainischen Innenministeriums, Mohamed Isa al-Binali, der wenige Wochen zuvor aus dem Sicherheitsdienst entlassen worden war, nachdem er unentschuldigt dem Dienst ferngeblieben war. Vor allem aber hatte sich Al-Binali wenige Monate zuvor dem IS angeschlossen.
In dem Video forderte er Soldaten und Sicherheitskräfte zum Desertieren auf. Anschließend wendete er sich gegen die sunnitische Herrscherfamilie der Al-Khalifas, die das Land seit mehr als 200 Jahren regiert. "Sie regieren nicht nach Maßgabe der Scharia", erklärt Al-Binali selbstbewusst. "Das heißt, sie beanspruchen für sich dieselbe Position wie Allah." Denselben Vorwurf erhebt auch der IS gegen die Herrscherfamilie.
Es ist unbestritten, dass etliche mehr oder weniger hochrangige Schiiten bei der aktuellen Protestbewegung aktiv sind. Sie lassen keine Gelegenheit aus, zu betonen, dass sie kein Interesse an der Einführung eines Gottesstaates wie im Iran haben, und plädieren für eine Demokratie modernen westlichen Zuschnitts. Der iranische Einfluss ist dennoch omnipräsent. Bahrain gehörte früher zum persischen Reich. Daher kommen aus dem Iran auch immer wieder revisionistische Töne.
1981 gab es sogar einen schiitischen Umsturzversuch nach dem Muster der Islamischen Revolution 1979. Auch ist es keine Seltenheit, dass Abbildungen des Obersten Geistlichen Führers, Ayatollah Ali Khamenei, in Bahrain zu sehen sind. Dementsprechend gereizt reagieren die sunnitischen Golfaraber, wenn Teheran vor einer Unterdrückung der Schiiten in Bahrain warnt. Wenn es bei den Protesten der Schiiten hart auf hart kam, eilten in der Vergangenheit immer wieder Sicherheitskräfte aus Golfkooperationsstaaten der bahrainischen Armee zu Hilfe und übernahmen Polizeiaufgaben, während sie den Aufstand niederschlug. In Bahrains Armee dienen Söldner aus verschiedenen sunnitischen Ländern. Sie werden jeglichen schiitischen Aufschrei wieder im Keim ersticken. Denn solange der Kalte Krieg zwischen dem Iran und den Golfarabern andauert, ist für arabische Schiiten kein arabischer Frühling vorgesehen.
Königreich Bahrain
(af) Scheich Isa bin Salman Al-Khalifa erklärte am 14. August 1971 die Unabhängigkeit von Großbritannien. Der Iran erhebt Ansprüche auf Bahrain und beruft sich dabei auf die einstige persische Herrschaft. Nur der letzte Schah erkannte den Inselstaat kurz an, 1979 jedoch wurde dies revidiert. 1973 erhielt Bahrain eine Verfassung und es wurden Parlamentswahlen abgehalten. 1975 wurde die Verfassung ausgesetzt, das Parlament aufgelöst und die absolute Monarchie proklamiert. Erst 1993 wurde wieder eine Ratsversammlung eingesetzt. Im März 1999 starb Emir Scheich Isa, woraufhin sein Sohn Scheich Hamad bin Isa Al-Khalifa die Regierungsgeschäfte übernahm. Am 14./15. Februar 2001 erfolgte ein Referendum über eine bahrainische "National Action Charter". Ein Jahr später verkündete der Emir eine neue Verfassung, die die Umwandlung in ein Königreich und eine Wiedereinsetzung des seit 1975 nicht mehr einberufenen Parlaments in einer abgeschwächten Form vorsah.