Zum Hauptinhalt springen

Gegenwind für Silvio Berlusconi

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Rom - Italiens erfolgsverwöhnter Regierungschef Silvio Berlusconi spürt neuerdings heftigen Gegenwind. Zwar hat die Opposition ihre Wahlschlappe noch nicht bewältigt und stellt vorerst keine ernsthafte Herausforderung dar, aber Gewerkschaften, Richter und nicht zuletzt die eigenen Koalitionspartner zeigen Berlusconi, der seit Jahresbeginn Premier und Außenminister in Personalunion ist, zunehmend die Zähne.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 22 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Etwa 4.000 Teilnehmer hatten die Organisatoren einer Veranstaltung zum zehnten Jahrestag von "Mani pulite" (Saubere Hände) am vergangenen Wochenende erwartet. 40.000 waren gekommen. Die Aufdeckung zahlreicher Korruptionsaffären, in die nahezu alle Parteien, besonders aber die damals regierenden Christdemokraten und Sozialisten verwickelt waren, hatten nach 1992 zum Zusammenbruch des politischen Systems in Italien geführt. In letzter Zeit war es aber zunehmend schwieriger geworden, Prozesse gegen Korruptionisten zu führen. Die neue Regierung unter Berlusconi, der selbst unter mehrfacher Anklage steht, hatte den Richtern Prügel zwischen die Beine geworfen.

"Resistere, resistere, resistere" (Widerstehen) hatten zahlreiche Teilnehmer der Demonstration auf ihren T-Shirts stehen und "Resistere" skandierten sie. Von der Bühne herab geißelte der ehemalige Staatsanwalt Antonio di Pietro, Symbolfigur von "Mani pulite" die Versuche Berlusconis, persönliche Vorteile aus seiner politischen Funktion zu ziehen. Di Pietro warf aber auch der nicht anwesenden Führung des Ulivo-Bündnisses vor, ein historisches Treffen versäumt zu haben und stellte sich damit in eine Reihe mit bekannten Linksintellektuellen, wie dem Filmregisseur Nanni Moretti und Nobelpreisträger Dario Fo, die die Laschheit der Opposition in den letzten Wochen mehrfach beklagt haben. "Ohne D'Alema (den postkommunistischen Premier und Ex-Chef der Demokratischen Linken) säße Berlusconi heute nicht dort, wo er sitzt", meinte Fo.

Führer einer außerparlamentarischen Linken soll der aus Florenz stammende Universitätsprofessor Francesco Pardi werden, der bei der Großveranstaltung in Mailand forderte, auf Verhandlungen mit Berlusconi zu verzichten, "solange dessen Regierung den Rechtsstaat mit Füßen tritt".

Justizminister Roberto Castelli von der Lega Nord sieht angesichts solcher Aufrufe eine Welle von neuer Gewalt auf Italien zukommen.

Eine weitere Front droht Berlusconi von den Gewerkschaften, die nicht bereit sind, eine Lockerung der Kündigungsbestimmungen, wie sie das Kabinett in Rom anstrebt, in Kauf zu nehmen. Die größte der Gewerkschaften, die linksgerichtete CGIL, hat deshalb für den 5. April zu einem Generalstreik aufgerufen. Um diesem den Wind aus den Segeln zu nehmen, hat der Regierungschef vorgeschlagen, Kündigungen mit zwei Jahresgehältern abzugelten und sich damit gleich auch die Arbeitgeber zu Gegnern gemacht.

Wenig Freude hat Silvio Berlusconi aber derzeit auch mit seinen Koalitionspartnern. Schon bei der Diskussion um die Nachfolge des zu Jahresbeginn zurückgetretenen Außenministers Renato Ruggiero hat Vizepremier Gianfranco Fini von der Alleanza Nazionale seinen Anspruch angemeldet. Berlusconi hat aber das Außenministerium selbst interimistisch übernommen und Fini mit einem Posten im EU-Konvent abgespeist. Jetzt klagt der Premier bereits über das, was ihm jeder Eingeweihte von Anfang an vorausgesagt hat: Die Ämter von Premier und Außenminister sind wegen des Arbeitsanfalls nicht vereinbar. Man rechnet deshalb, dass entweder Industrieminister Antonio Marzano oder Kulturminister Giuliano Urbani bald das Außenamt übernehmen.

Wenig Freude hat Berlusconi auch bei der Neubestellung der Führungsspitze im staatlichen Rundfunksender RAI gehabt. Sein Plan, sich neben seinen drei Privatkanälen auch die Verfügungsgewalt über die drei staatlichen Sender zu sichern und den Chefredakteur des ihm gehörenden Nachrichtenmagazins "Panorama", Carlo Rossella als RAI-Chef zu installieren, ist nicht aufgegangen. Als Erster hatte Lega-Nord-Chef Umberto Bossi seine Begehrlichkeiten angemeldet und schließlich setzten Parlamentspräsident Pierferdinando Casini von der christdemokratischen CCD und Vizepremier Fini ihre Vorstellungen bei der Neubestellung der RAI-Spitze durch. RAI-Chef wurde der dem katholischen Lager zuzurechnende frühere Verfassungsgerichtshofchef Antonio Baldassare. Die AN sicherte sich mehr Einfluss im staatlichen TV und auch die Linke erhielt zwei der fünf Sitze im RAI-Verwaltungsrat.