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Wer sie sind, wo sie tagen, wie sie | agieren und warum sie so unbeliebt sind.
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Wien/Washington. Der elitäre Top-Klub für mächtige Menschen ist nach einem eleganten niederländischen Hotel benannt. Ende Mai 1954 fand in Oosterbeek auf Einladung von Prinz Bernhard der Niederlande die erste von bislang 60 geheimnisumwobenen Konferenzen eines mittlerweile berühmt-berüchtigten Geheimbundes statt: Die Bilderberger, beim ersten Treffen im "Hotel de Bilderberg" ein relativ kleiner Gesprächskreis, sind längst zu einer machtvollen Institution mutiert.
Anfangs haben sich europäische und amerikanische Spitzenleute aus Wirtschaft und Politik vorgenommen, den transatlantischen Dialog in der heiklen Phase des beginnenden Kalten Kriegs zu beleben. Heute fühlen sich die kosmopolitischen Opinion-Leader berufen, sich sämtlicher anstehender Probleme anzunehmen.
Bei jährlichen, jeweils drei bis vier Tage währenden Meetings kommen zwischen 130 und 150 Teilnehmer zusammen, um sich in diskreter Atmosphäre und total off-the-record auszutauschen. "Diese privat organisierten Zusammenkünfte", sagt Kanzler Werner Faymann, der als Privatperson schon einige Male dabei war, "dienen dem Meinungsaustausch über aktuelle Fragestellungen, die auch für die Zukunft Österreichs von Bedeutung sind."
Im Laufe der Jahre haben bereits zwei- bis dreitausend honorige Personen aus rund 30 Staaten an den Bilderberg-Konferenzen teilgenommen und aufgrund der generell auferlegten Pflicht zur Verschwiegenheit konsequent eine Art Mythos geschaffen: Sie stehen für ein sektenähnliches, weitgehend anonym bleibendes Diskussionsgremium, das hinter verschlossenen Polstertüren seinen Machtrausch auszuleben versucht und dabei unfreiwillig zahllose Verschwörungstheorien in die Welt setzt.
Chairman Henri de Castries
Heute spielt Henri de Castries, 57-jähriger CEO der französischen Assekuranz AXA Group, die Rolle des ranghöchsten Bilderbergers. Neben ihm als Chairman bilden rund 30 honorige Herrschaften, die für vier Jahren gewählt werden, das oberste Gremium namens Steering Committee, das nicht zuletzt darüber entscheidet, wer diesem exquisiten Zirkel überhaupt angehören darf. Zum erlauchten Kreis zählen u.a. Airbus-CEO Thomas Enders, Ex-Siemens-Chef Klaus Kleinfeld - jetzt Chairman beim Aluminium-Riesen Alcoa -, Jorma Ollila, Boss von Royal Dutch Shell, Peter D. Sutherland von Goldman Sachs International, Novartis-Chairman Daniel L. Vasella oder der kürzlich abgetretene Boss der Deutschen Bank, Josef Ackermann. Österreich wird in diesem Gremium seit Jahren durch Rudolf Scholten, Ex-Unterrichtsminister und langjähriger Vorstand der Oesterreichischen Kontrollbank, vertreten.
Früher tummelten sich unter den führenden Bilderberger noch weit prominentere Namen: Als Chairmen des Steering Committees hatten sich etwa Prinz Bernhard der Niederlande, der spätere deutsche Bundespräsident Walter Scheel oder der belgische Politiker und Businessman Etienne Davignon betätigt, der immerhin auch Vizepräsident der Europäischen Kommission gewesen war.
Aus der langen Liste ebenso beachteter wie einflussreicher Mitglieder ragen beispielsweise Ex-US-Außenminister Henry Kissinger, Finanzkrösus David Rockefeller Sr., Banker Baron Edmond de Rothschild, Fiat-Legende Giovanni Agnelli, deutsche Wirtschaftskapitäne wie Otto Wolff von Amerongen, die beiden einstigen Weltbank-Präsidenten James D. Wolfensohn und Paul Wolfowitz oder der schwedische Industrielle Percy Barnevik heraus.
Vranitzky war Stammgast
Aus Österreich waren im Laufe der Jahre rund 50 Persönlichkeiten eingeladen, etliche allerdings so wie Bruno Kreisky und Wolfgang Schüssel bloß ein einziges Mal. Die heutigen Ex-Politiker Franz Vranitzky, mit 15 Teilnahmen Spitzenreiter, und Hannes Androsch (neun Mal) galten hingegen als so etwas wie "Stammgäste", auch Ex-Außenminister Peter Jankowitsch und der einstige Präsident der Industriellenvereinigung, Hans Igler, waren im Bilderberger-Kreis gerne gesehen.
Selbst Majestäten wie die holländische Königin Beatrix oder deren spanische Kollegin Sofia geben sich die Ehre. Zu den Bilderbergern wie aus dem Bilderbuch zählen neben aktiven Regierungschefs und Ministern auch führende Meinungsmacher wie "Economist"-Chefredakteur John Micklethwait sowie etliche Stanford-, Harvard- und sonstige Professoren. So gut wie jeder westliche Spitzenpolitiker war zumindest ein Mal bei den Bilderberg-Treffen dabei - von Helmut Kohl über Bill Clinton bis Tony Blair, von José Manuel Barroso über Jean Claude Trichet bis WTO-Chef Pascal Lamy. Und das Klischee, dass wichtige Posten häufig mit Bilderbergern besetzt werden, hat etwas für sich. Beste jüngste Beispiele sind Mario Draghi als EZB-Präsident und die neue IWF--Chefin Christine Lagarde.
Treffen in Baden und Tirol
Die alljährlichen Meetings finden stets in hübschen Gegenden statt - heuer Ende Mai/Anfang Juni im Marriott Westfields Hotel in Chantilly/Virginia, einem Vorort von Washington, wo man sich auch 2008 und 2002 getroffen hatte. Besonderer Beliebtheit erfreuten sich weiters das Grand Hotel Saltsjöbaden im gleichnamigen schwedischen Ort und das Palace Hotel in der Schweizer Gemeinde Bürgenstock - in beiden Luxusabsteigen traf man ebenfalls drei Mal zusammen. Weitere Treffen unter maximaler Geheimhaltung und unter hermetischem Polizeischutz fanden etwa in St. Moritz, Istanbul, Versailles und Brüssel statt. Auch Österreich war bereits zwei Mal Schauplatz der geheimnisvollen Promi-Versammlung: Im April 1979 kamen die Bilderberger im Badener Grand Hotel Sauerhof zusammen, im Juni 1988 trafen sie einander im Interalpen-Hotel Tyrol in der Marktgemeinde Telfs.
Unsichtbare Weltregierung?
Österreich war zuletzt mit drei "Stammgästen" vertreten, nämlich Faymann, Scholten und dem Herausgeber des "Standard", Oscar Bronner, der seit 2005 auf der Einladungsliste steht. Heuer durfte obendrein auch Bank Austria-General Willibald Cernko erstmals dabei sein, im Vorjahr war RZB-Boss Walther Rothensteiner auserkoren, und 2010 nahmen Bundespräsident Heinz Fischer und Gertrude Tumpel-Gugerell, damals EZB-Vizegouverneurin, an der illustren Runde teil. Deren wahrer Kern sind indes hochrangige Wirtschaftskapitäne aus aller Herren Länder - beispielsweise Siemens-CEO Peter Löscher sowie die Bosse führender Konzerne wie Unilever, Novartis, Royal Dutch Shell und Geldhäuser wie Barclays, Lazard, HSBC oder Ripplewood.
Erstaunlich, wie viel Wind ein derartiger Geheimbund machen kann, dessen einzige Aktivität eine jährliche Veranstaltung ist: Den illustren Gäste geht es bei jeweils eineinhalbstündigen Podiumsdiskussionen - umrahmt von opulenten Dinners und Small Talk an der Bar - primär um brandaktuelle Fragen, die einer Lösung harren. Im Mai 2009 etwa war das Nafsika Astir Palace Hotel in Vouliagmeni bei Athen Schauplatz hektischer Diskussionen, bei denen die Weltwirtschaftskrise bzw. deren mögliche Bewältigung abgehandelt wurde - offenbar nicht effizient genug.
Auch wenn sie sich bloß über durchaus harmlose, aber griffig formulierte Probleme wie "What Does Putin 2.0 mean?" oder "What can the West do about Iran?" die Köpfe zerbrechen, haben sich die Bilderberger, wohl vor allem wegen ihrer extremen Geheimniskrämerei, den Verdacht eingehandelt, für so gut wie alle politischen und kapitalistischen Schweinereien dieser Welt verantwortlich zu sein: Für ihre unzähligen Kritiker waren sie beispielsweise die Drahtzieher hinter der Ölkrise in den Siebzigern, steckten natürlich hinter dem Irak-Krieg, haben die deutsche Wiedervereinigung ausgeheckt - übrigens in Tirol - und würden "mit einem virtuellen Spinnennetz von ineinander greifenden finanziellen, politischen und industriellen Interessen" praktisch alles Wichtige beherrschen: die Weltbank, den Währungsfonds, die Nato - und die Europäische Union sowieso.
Ein ehemaliger Konferenz-Teilnehmer aus Österreich, der anonym bleiben möchte, kann mit der These, dass die Bilderberger sich als eine Art Weltregierung installieren wollen, herzlich wenig anfangen: "Die Treffen sind ganz bestimmt hochinteressant und durchaus substanziell, aber daraus groteske Verschwörungstheorien abzuleiten - nein, das ist Unsinn"