Niederlande: AIVD überwachte Partei. | Hilversum. In den Niederlanden ist die Enthüllung eingeschlagen wie eine Bombe. Starreporter Peter de Vries führte in einer Fernsehshow am vergangenen Sonntag brisantes Geheimdienstmaterial vor. Auf zwei Festplatten hatte er detaillierte Informationen über Agenten, Informanten und überwachte Personen entdeckt.
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Die zwei völlig ungesicherten Festplatten hatte ein Agent des niederländischen Inlandgeheimdienstes AIVD vor zwei Jahren in einem Mietwagen vergessen. Nach über zwei Jahren in der Fundgrube des Autovermieters wurden sie de Vries zugespielt. Die Festplatten enthalten Daten über die Operationen des regionalen Geheimdienstes von Rotterdam und des Inlandgeheimdienstes AIVD während den Jahren 1994 bis 2002.
Eskapaden Fortuyns
Mit dabei sind Namen und Telefonnummern von Agenten und Informanten des niederländischen, britischen und des US-Geheimdienstes. Peter de Vries verhielt sich klug und veröffentlichte keine Informationen, die das Leben eines Agenten oder Informanten gefährden könnten.
Doch bis ins kleinste Detail hat er die sexuellen Eskapaden des vor drei Jahren ermordeten Politikers Pim Fortuyn beschrieben. Dabei erstaunt, wie detailliert die Informationen des niederländischen Geheimdiensts waren. Der bekennende Homosexuelle Fortuyn hatte, zusammen mit anderen lokalen Berühmtheiten, gemäß dem Bericht öfters Geschlechtsverkehr mit Minderjährigen. Die Berichte über Fortuyns Sexualleben sind jedoch nicht neu. Aus seinen sexuellen Vorlieben hatte Fortuyn kein Geheimnis gemacht.
Neu ist jedoch, wie viele Details der Geheimdienst über Fortuyns Sexleben wusste. Die Vermutung liegt nahe, dass er auch über das Privatleben anderer Personen detaillierte Informationen besitzt.
Innenminister Johan Remkes versuchte den Zwischenfall hinunterzuspielen, doch blieben dabei mehrere Fragen offen. Zum Beispiel ist nicht bekannt, wer den Auftrag gab für die Überwachung verschiedener Privatpersonen und des Privatlebens von Pim Fortuyn, der zu diesem Zeitpunkt noch gar kein Politiker war. Der AIVD darf politische Parteien nur überwachen, wenn das von der Regierung gefordert wird und wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: Die Partei muss eine ernsthafte Bedrohung für die nationale Sicherheit darstellen, oder im Falle von "ernsthafter Gefährdung der Integrität" von Politikern. In Fortuyns Fall waren beide Bedingungen nicht erfüllt.