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Geheimdienst im Zwielicht

Von Stefan Vospernik

Politik

Experte spricht von "Rückgrat der islamistischen Bewegung". | Islamabad/Wien. (apa) Er ist der wohl berüchtigste Geheimdienst der Welt und gilt in Pakistan als "Staat im Staate". Kein Wunder, dass sich nach dem Mordanschlag auf Benazir Bhutto die Augen auf den pakistanischen Geheimdienst ISI (Inter-Services Intelligence) richten. Hat der mächtige Nachrichtendienst versagt oder steckt er gar selbst hinter dem Attentat? Es wäre nicht das erste Mal, dass der Nachrichtendienst nach einem Terroranschlag zu den "üblichen Verdächtigen" zählt, schließlich ist seine starke Unterwanderung durch Islamisten ein offenes Geheimnis.


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Für den Berliner Pakistan-Experten Michael Pohly ist die Sache sonnenklar: "ISI ist das Rückgrat der islamistischen Bewegung". ISI stelle Islamisten weltweit die notwendige Logistik zur Verfügung und entzieht sich seinerseits dem Zugriff der pakistanischen Behörden. Durch Einkünfte aus Drogen-, Waffen- und Menschenhandel fast autark, lasse sich der Geheimdienst von nichts und niemandem kontrollieren, so Pohly.

Selbst für Pakistans starken Mann Pervez Musharraf sei dieses Machtzentrum eine Nummer zu groß. So überrascht es nicht, dass viele Mitglieder des Geheimdienstes den von Musharraf nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 verkündeten Schwenk auf eine anti-islamistische Linie nicht mitgemacht haben. Musharraf habe nur die Führungsebene ausgetauscht, während die mittleren und unteren Ränge des Geheimdienstes weiter von Islamisten unterwandert seien, sagt Pohly. "Musharraf hatte nie eine Strategie zur Bekämpfung der Islamisten, er hat nur taktiert."

Offenbar wurde die Verbindung zwischen ISI und islamistischen Kreisen heuer im Juli beim Konflikt um die Rote Moschee in Islamabad. Das Gotteshaus in unmittelbarer Nachbarschaft zum Präsidentensitz war sprichwörtlich unter den Augen des Geheimdienstes zu einer Festung ausgebaut und mit einem umfangreichen Waffenlager versehen worden. "Warum hat der Geheimdienst nichts von den Vorgängen in der Moschee gewusst?", fragten sich viele Pakistani damals. Tatsache ist, dass der Anführer der Aufständischen, Imam Abdul Aziz, enge Kontakte zum ISI pflegte und eine Reihe von ISI-Angehörigen in der für ihre radikalen Predigten bekannten Moschee beteten.

Großes Sündenregister

Das "Sündenregister" des ISI in Sachen islamistischer Terrorismus ist lang. So soll der pakistanische Geheimdienst bei den Anschlägen auf Vorortezüge in der indischen Metropole Bombay im Juli 2006 und bei der Ermordung des US-amerikanischen Journalisten Daniel Pearl im Februar 2002 die Hände im Spiel gehabt haben. Wiederholt wurde dem pakistanischen Geheimdienst auch vorgeworfen, entgegen der offiziellen Anti-Terror-Politik Pakistans Anschläge der radikal-islamischen Taliban offen zu unterstützen.