Bevor er seine Truppen im März 2003 in den Irak schickte, ließ US-Präsident George W. Bush seinen damaligen Außenministers Colin Powell vor der UNO auftreten und breit über Geheimdiensterkenntnisse über irakische Massenvernichtungswaffen referieren. Diese Erkenntnisse stellten sich als ebenso falsch heraus wie Berichte über Uran-Einkäufe Saddam Husseins in Niger, die offensichtlich auf gefälschten Unterlagen italienischer Geheimdienste beruhten.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Weil der US-Diplomat Joseph Wilson das klar aufzeigte, wurde seine Frau Valerie Plame, eine CIA-Agentin, von führenden Leuten der Bush-Administration schonungslos enttarnt, was enge Mitarbeiter des Vizepräsidenten schwer ins Trudeln brachte.
Wie beim Irak argumentierte Bush auch im Fall des iranischen Atomprogramms mit Geheimdienstberichten und vor wenigen Wochen noch malte er die Gefahr eines dritten Weltkrieges an die Wand.
Jetzt stellten 16 (!) US-Geheimdienste in einem gemeinsamen Bericht fest, der Iran habe sein Atomwaffenprogramm schon im Herbst 2003 eingestellt. Einschränkend heißt es dann, dass unklar sei, ob die Regierung in Teheran derzeit beabsichtige, Atomwaffen zu entwickeln. Sie halte sich zumindest entsprechende Möglichkeiten offen. Technisch sei das Land aber frühestens Ende 2009 in der Lage, hochangereichertes Uran für die Atomwaffenproduktion herzustellen. Dies sei allerdings sehr unwahrscheinlich. Eine ausreichende Menge atomwaffenfähigen Urans könnte wahrscheinlich erst zwischen 2010 und 2015 angesammelt werden.
Der US-Geheimdienstbericht bekräftigt also das, was die in Wien ansässige internationale Atomenergiebehörde (IAEO) schon seit geraumer Zeit als ihren Wissensstand der Öffentlichkeit mitgeteilt hat.
Der Iran fühlt sich durch den Bericht entlastet, Präsident Mahmoud Ahmadinejad sieht einen "Sieg seines Volkes gegen die Weltmächte".
George W. Bush will trotzdem an seinem Iran-Kurs fest- und sich alle Optionen offenhalten. Bushs Verbündete Großbritannien und Frankreich stärken ihm dabei den Rücken. Israel, das sich von potenziellen iranischen Atomwaffen besonders bedroht sieht - und Ahmadinejads wiederholte unerträgliche Ausfälle gegen Israel bestärken die Befürchtungen Jerusalems -, glaubt die Geheimdienstberichte gleich gar nicht.
Für Bush wird es aber kaum möglich sein, Russland und China ins Boot zu holen, wenn es um neue Sanktionen gegen den Iran geht. Putin appellierte zwar an den Iran, die Urananreicherung zu stoppen. Russland will aber die neuen Erkenntnisse in die Beratungen über Sanktionen einbeziehen. Und auch China sieht eine Änderung der Lage, über die man nachdenken müsse. Siehe Seite 8