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Geheime Konten des Polit-Adels

Von WZ-Korrespondent Wu Gang

Politik

Offshore Leaks enthüllt, wie Familien der KP-Kader Geld ins Ausland schaffen.


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Peking. Am Mittwoch drang noch weniger durch die "Große Firewall" Chinas als üblich. Neben den wie üblich gesperrten Seiten der "New York Times" und von "Bloomberg" traf der Bannstrahl diesmal auch den "Guardian", die "Süddeutsche Zeitung" und so gut wie alle Medien, welche die Daten aus den Offshore Leaks über chinesische Klienten öffentlich machten. Dazu zählt vor allem die Investigativ-Plattform ICIJ, welcher die Offshore-Leaks vor zwei Jahren zugespielt wurden. Und auch der Nachrichtenkanal der BBC wurde umgehend schwarz, sobald in der Berichterstattung das Wort China fiel.

Fast alle prominenten Clans sind betroffen

Da die Betroffenen von den Medien vorab über die anstehenden Enthüllungen informiert wurden, hatte die Zensur offensichtlich Zeit, sich entsprechend vorzubereiten. Dabei ist es für die Chinesen wenig überraschend, dass sich ihre Eliten bereichern und hohe Geldsummen ins Ausland transferieren, an derartige Fälle haben sie sich in den vergangenen Jahrzehnten längst gewöhnt. Was jedoch auffällt, ist das Ausmaß der aktuellen Enthüllungen, denn neben den hohen Summen stechen vor allem die Namen ins Auge - es gibt kaum eine prominente Familie des wirtschaftlichen und politischen Adels, die nicht in den Fall verwickelt ist.

Aus den bisher vertraulichen Offshore-Leaks-Unterlagen geht hervor, wie Chinas Mächtige Transaktionen über anonyme Briefkastenfirmen auf den Virgin Islands abgewickelt und dadurch immense Geldsummen in die karibische Steueroase verschoben haben. In den Unterlagen sind mehr als 21.000 Offshore-Firmen von Kunden aus China und Hongkong aufgelistet. Schätzungen zufolge wurden seit dem Jahr 2000 Gelder und Firmenanteile im Wert von bis zu drei Billionen Euro aus der Volksrepublik verschoben. Die gesammelten Verträge, E-Mails, Personalausweise und internen Akten belegen, wie viel Wert darauf gelegt wurde, den Reichtum diskret zu verschleiern. Durch die anonyme Struktur der Firmen wird maximale Unklarheit über jene Parallelwirtschaft erzielt, mit der das Geld außer Landes gebracht wird.

Denn: Ohne Sondergenehmigung dürfen chinesische Staatsbürger pro Jahr maximal Devisen im Wert von etwa 50.000 Dollar ins Ausland schaffen. Also wird das Geld mit ein paar Tricks auf die Virgin Islands verschoben, von denen es häufig - und gewaschen - zurück nach China fließt.

Westliche Banken

mischen kräftig mit

Unterstützung bei der Errichtung der Strukturen kommt dabei von westlichen Banken wie der Deutschen Bank, den Schweizer Instituten UBS und Credit Suisse. Allein 2012 wurden von diesen Insel-Firmen etwa 320 Milliarden Dollar nach China überwiesen; fast doppelt so viel, wie alle amerikanischen und japanischen Firmen zusammen in China investieren. Selbst die staatliche Bank of China beschwerte sich 2011 in einem offiziellen Protest, dass korrupte Manager diese Briefkastenfirmen "wie Handtaschen" benutzen würden. Doch es sind eben nicht nur Manager aus allen Bereichen der chinesischen Wirtschaft, sondern vor allem auch der politische Hochadel.

In den nun veröffentlichten China-Daten taucht beispielsweise häufig der Name des vor einem Jahr abgetretenen Premierministers Wen Jiabao auf. Sowohl dessen Sohn Wen Yunsong als auch sein Schwiegersohn Liu Chunhang fungieren als Geschäftsführer und Anteilseigner zweier Firmen auf den Britischen Jungferninseln. Ein Neffe zweiten Grades von Ex-Staatschef Hu Jintao und der Schwiegersohn von Reform-Architekt Deng Xiaoping finden sich ebenso in den Daten wie Li Xiaolin, die Tochter von Ex-Premier Li Peng. Dazu kommen noch klingende Namen aus der Wirtschaft wie Pony Ma Huateng, der Mitgründer des Softwaregiganten Tencent sowie die reichste Frau Chinas, Yang Huiyan, Vize-Chefin des Bauriesen Country Garden Holdings.

Besonders unangenehm für die aktuelle Staatsführung dürfte aber vor allem ein Name sein: Deng Jiagui, der Schwager des Präsidenten Xi Jinping. Er teilt sich eine Firma auf den Virgin Islands mit zwei Brüdern, die durch Immobiliengeschäfte reich geworden sind. Im Juli erhielten sie für zwei Milliarden Dollar den Zuschlag für zwei Grundstücke in Shenzhen - vom Staat. Für Xi, dessen Ansehen sich vor allem auf seine bislang weiße Weste stützt, platzen die Enthüllungen mitten in eine von ihm angestrengte Anti-Korruptions-Kampagne, der in der Zeit von Jänner bis Dezember 2013 bislang 108.000 Funktionäre zum Opfer gefallen sind. Gegen 16 hohe Funktionäre mit Ministerrang wurden Verfahren eingeleitet.

Bürgerrechtler wird der Prozess gemacht

Just am Tage der Veröffentlichung begann in Peking auch der Prozess gegen den Anwalt und Bürgerrechtler Xu Zhiyong, der im August unter dem Vorwurf verhaftet wurde, "eine Versammlung zur Störung der öffentlichen Ordnung" angeregt zu haben. Er hatte sich mit anderen Mitgliedern der "Neuen Bürgerbewegung" für die Offenlegung der Finanzen von Chinas Funktionären eingesetzt - also genau jene Geldflüsse, die jetzt durch die Offshore-Leaks-Enthüllungen ans Licht der Öffentlichkeit kommen. Und während der Staat auf diese mit verstärkter Zensur reagiert, zeigt sich die Bevölkerung vorerst relativ unbeeindruckt. Kommentar eines Passanten: "Warum nicht? Hätte ich das Geld, würde ich es auch so machen."