Zum Hauptinhalt springen

"Geheimer Krieg" gegen den Terror

Von Gabriele Chwallek

Politik

Die Antwort der USA auf den Terroranschlag hat nicht lange auf sich warten lassen. Präsident George W. Bush hat umgehend zur "Operation dauerhafte Freiheit" aufgerufen und bereitet einen militärischen Gegenschlag vor. Die Vertreter der Presse aber befürchten, dass sie dabei vom Informationsfluss weitgehend ausgesperrt sein werden.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Im Vietnamkrieg konnten US-Journalisten die Truppen in den Dschungel begleiten - hautnaher ließ sich kaum über das Kampfgeschehen berichten. Beim "Wüstensturm" war das ganz anders. Die Medienvertreter klagten im Golfkrieg über starke Beschränkungen, ja sogar Zensur und gezielte Irreführung der Presse durch Fehlinformationen. Jetzt haben die USA ihre "Operation dauerhafte Freiheit" begonnen, und im Journalistenheer grassiert die Sorge, dass sich diese Formel absolut nicht auf ihre Möglichkeiten der Berichterstattung bezieht.

Befürchtet werden angesichts der von der US-Regierung angekündigten "völlig neuen Art von Krieg" massive Informationssperren, ein Grad der Geheimhaltung, den es bisher bei keiner US-Militäroperation gegeben hat. US-Präsident George W. Bush selbst gab vor dem Kongress einen Hinweis auf die bevorstehende Info-Dürre. Manche Operationen würden auf dem Fernsehbildschirm sichtbar sein, sagte der Präsident. "Andere werden verdeckt und geheim bleiben - selbst dann, wenn sie erfolgreich sind."

Schon jetzt, bevor die "Operation dauerhafte Freiheit" richtig angelaufen ist, fühlen sich viele Journalisten vom Informationsfluss abgeschnitten. Gab es beim Golfkrieg wenigstens noch die Möglichkeit, Bilder von Vorbereitungen in den US-Basen und von Abschiedsszenen in Hülle und Fülle auszustrahlen, ist sogar das diesmal schwierig geworden. Stützpunkte wie Fort Bragg oder Fort Campbell, aus denen im Fall eines Boden-Einsatzes in Afghanistan mit Sicherheit Soldaten entsendet würden, sind schwer zugänglich gemacht worden. Zum Schutz gegen Terrorangriffe, heißt es offiziell. Aber Journalisten vermuten, dass dahinter auch das Bestreben steckt, Vorbereitungen auf den Einsatz "unter dem Deckel zu halten".

Die Regierung begründet die sich anbahnende "Strategie des Schweigens" damit, dass die Sicherheit der Soldaten und des amerikanischen Volkes nicht aufs Spiel gesetzt werden solle. Das gelte umso mehr, als sich der "neue Krieg" gegen einen "verborgenen" Feind richte, der in seinen Schlupflöchern "ausgeräuchert" werden müsse. Geheimdienstliche Erkenntnisse und Geheimhaltung von Operationen seien für einen Erfolg unabdingbar.

"Wir werden nichts sagen, was das Leben unserer Truppen riskiert", erklärte Pentagon-Chef Donald Rumsfeld entschieden. Bush-Sprecher Ari Fleischer formuliert es anders: "Sie haben das Recht, Fragen zu stellen", sagte er an die Adresse der Journalisten gerichtet. "Wir haben das Recht, nicht zu antworten."

Auf Verteidigung spezialisierte Korrespondenten schwanken zwischen Zorn, Verärgerung und Verständnis. Sie sehen neben dem notwendigen Schutz für die Soldaten mehrere taktische Gründe für das erwartete "Mauern" der Regierung. Im Golfkrieg und auch im Kosovo-Krieg hätten Bilder und ausführliche Berichte über die Truppenentsendung im Washingtoner Interesse gelegen, um Saddam Hussein oder Slobodan Milosevic Kampfbereitschaft vor Augen zu führen und sie zum Einlenken zu bewegen, heißt es. Im Fall der Taliban glaube niemand, dass dieses Regime nachgeben werde.

Andere meinen, dass sich die Regierung durch eine strikte Informationspolitik auch davor schützen will, über Fehlschläge berichten zu müssen. "Um die Terroristen zu fassen, muss man in unwegsame Berge von Afghanistan gehen", zitiert die "Washington Post" Mark Thompson vom "Time"-Magazin. "Das ist so wie beim Sport. Es gibt mehr Fehltreffer als Treffer. Ich weiß nicht, wie viel Aufmerksamkeit das Militär auf Berichte über Fehlschläge lenken will . . ."

Hält Rumsfeld Wort, dann brauchen die Medien wenigstens eines nicht zu befürchten: dass sie gezielt belogen werden. Das geschah während des Golfkriegs mehrere Male und wurde nach dem "Auffliegen" dann stets mit der Notwendigkeit begründet, die Sicherheit der Soldaten zu gewährleisten. Er habe noch nie wissentlich die Medien belogen, sagte der Verteidigungsminister am Dienstag, und er gedenke das auch jetzt nicht zu tun. Allerdings musste er einräumen, dass er nicht für alle Pentagon-Mitarbeiter die Hände ins Feuer legen kann - es sind schließlich viele Tausende.