Nowak: Zensur wäre Anfang vom Ende des Menschenrechtsrats. | Auch islamische und afrikanische Staaten lehnen Diskussion ab. | Genf. (dpa) Russland will im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen einen brisanten Bericht über Geheimgefängnisse blockieren. Der Bericht, eine gemeinsame Studie mehrerer UN-Sonderberichterstatter, steht aber bereits auf der Internetseite des UN-Gremiums. Moskau habe die Löschung verlangt, hieß es in Genf. "Eine solche klassische Zensur wäre der Anfang vom Ende des Menschenrechtsrates", sagte einer der Mitautoren, der österreichische Jurist Manfred Nowak.
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Von den 47 Mitgliedsstaaten des Rates haben sich neben Russland vor allem die Organisation der Islamischen Konferenz OIC, der allein ein Drittel der 47 Mitgliedstaaten angehören, sowie die afrikanische Gruppe (13 Länder) gegen eine Diskussion über den Bericht ausgesprochen.
Am kommenden Donnerstag dürfte entschieden werden, ob das Thema während der derzeit laufenden 13. Sitzung des Menschenrechtsrates zur Sprache kommt. Obwohl etwa auch die USA in dem Bericht kritisiert werden, hat sich Washington nicht gegen eine Debatte ausgesprochen.
Für Nowak handelt es sich um ein klassisches Thema des Mitte 2006 gebildeten Menschenrechtsrates. Die geheimen Gefängnisse, die es außer in Russland in vielen Teilen Europas, Lateinamerikas, des Nahen Ostens und in den USA gegeben habe und gebe, seien eine Methode im Kampf gegen den Terrorismus, sagt Nowak. "Was ist geheime Haft anderes als erzwungenes Verschwindenlassen?" Jede geheime Haft sei willkürliche Haft, in der auch das Risiko der Folter groß sei, sagte der UN-Sonderberichterstatter über Folter.
Geheime Lager im Irak und in Afghanistan
Geheimgefängnisse des US-Geheimdienstes CIA für angebliche Terror-Verdächtige soll es in Litauen ebenso wie in Rumänien und Polen gegeben haben. Zwar hat US-Präsident Barack Obama die Schließung des Lagers Guantanamo Bay auf Kuba binnen eines Jahres angekündigt. Die USA unterhalten aber angeblich weiterhin geheime Lager im Irak und in Afghanistan.
Der Präsident des Menschenrechtsrats, der Belgier Alex Van Meeuwen, will über den Bericht diskutieren lassen. Er lässt nicht gelten, dass die Gegner unter anderem argumentieren, die Sonderberichterstatter hätten kein Mandat dafür gehabt. Die gemeinsame Studie sei im Gegenteil perfekt auf das Mandat der Experten zugeschnitten.
Auch Nichtregierungsorganisationen (NGO) erklären, dass die betroffenen Staaten lediglich verhindern wollten, dass man mit dem Finger auf sie zeige. Zu ihnen gehören neben Russland auch Sri Lanka, Pakistan, China, Algerien, Ägypten und Iran.
Für Nowak reiht sich das Ansinnen, die Diskussion zu unterdrücken, in das Bemühen vor allem der islamischen Staaten ein, das Mandat der Sonderberichterstatter zu beschränken oder es ihnen sogar ganz zu nehmen. Dieses Mandat ist ein Überbleibsel der viel gescholtenen Menschenrechtskommission, der Vorläuferin des Rates. Darin fassten die Mitgliedstaaten, die regierungsunabhängigen Organisationen sowie die Sonderberichterstatter ihre eigenen Erhebungen zusammen. Die Kommission war als zu einseitig und zu sanft kritisiert worden, doch Nowak ist überzeugt, dass die Menschenrechtsexperten wichtige Impulse gegeben haben und nun weiter geben. Eine Abschaffung oder Beschneidung (des Mandats) sei eine sehr bedenkliche Tendenz, die zurück in die Zeiten des Kalten Krieges und davor führen würde.