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Neues und möglicherweise bahnbrechende Erkenntnisse in der Erforschung des Gehirns: Deutsche Forscher haben eine Hirnregion gefunden, die für das "Selbst-Bewusstsein" zuständig ist. Das internationale Team um die Ärzte Tilo Kircher und Mathias Bartels konnte bisher erstmalig zeigen, dass Selbst-Erkennung messbar ist, berichtete die Universität Tübingen vergangene Woche.
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Beim Anschauen im Spiegel waren bestimmte Hirnregionen der Probanden in der linken vorderen Stirnregion aktiv und im limbischen System, das bei Gefühlen eine Rolle spielt. Dies wiesen die Forscher mit Messungen im Kernspintomographen nach. Nur Menschen ab dem 18. Lebensmonat und erwachsene Schimpansen erkennen sich selbst im Spiegel. Diese Fähigkeit führten die Fachleute bereits früher auf das Vorhandensein von "Selbst- Bewusstsein" zurück.
Durch die neuen Erkenntnisse aus Tübingen eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten für die Erforschung von Erkrankungen wie der Schizophrenie, einer grundlegende Störung des Ich-Bewusstseins.
Auch der Medizin-Nobelpreisträger Bert Sakmann will Patienten mit Gehirnschäden helfen, verlorene Fähigkeiten wieder zu erlangen. Er möchte dafür die enormen Fähigkeiten des Gehirns nutzen, Aufgaben in eine andere Hirnregion zu verlagern. Ein Sehnerv könne durchaus mit der für das Gehör zuständigen Gehirnregion zusammen arbeiten, sagte der Direktor des Max-Planck-Instituts für Medizinische Forschung in Heidelberg.
Sakmanns Forschung konzentriert sich auf die "eloquente Hirnrinde", also jenen Bereich, der für die Sinneswahrnehmungen zuständig ist. Wird diese Stelle beschädigt - etwa durch einen Schlaganfall, wegen eines Tumors oder durch eine Operation -, kommt es zu einer Beeinträchtung des Sehens, Hörens, Schmeckens, Riechens oder Fühlens.
Das Gehirn hat allerdings, so Sakmann, die fantastische Fähigkeit der "Plastizität": Es kann, wie zahlreiche neurologische Untersuchen bewiesen haben, Verluste dadurch ausgleichen, dass es sie in einen anderen Teil der Hirnrinde verlegt. Der neue Bereich wächst, wenn er viel gebraucht wird, durch Übung.
Im Tierexperiment will der Nobelpreisträger des Jahres 1991 nun herausfinden, was genau bei dieser Verlagerung passiert und wie sie beschleunigt werden kann. Dadurch wäre es nämlich möglich, ganz gezielte Übungen für die Rehabilitation von Kranken zu entwickeln: "Schlaganfall-Patienten könnten rascher wieder sprechen lernen oder Epileptiker sich besser orientieren", sagt er. Aber auch lernschwache Kinder könnten effektiver als bisher gefördert werden.