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Gehrer: Situation ist "normal"

Von Barbara Ottawa

Wissen

Der "Fall Publizistik" an der Uni Wien hat den Putz einiger maroder Institutsfassaden bröckeln lassen. Studierenden- und Hochschulvertreter zeigen sich äußerst besorgt über die Situation. Bildungsministerin Elisabeth Gehrer ist überzeugt, dass sich die Lage bald bessern wird und ohnehin "normale" Zustände herrschen. Während auf höherer Ebene Vorwürfe ausgetauscht und Verantwortungen abgeschoben werden, überlegen sich Studierende rechtliche Schritte und gehen auf die Straße.


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Morgen ziehen ab 12 Uhr wieder Studierende über den Ring in einer Protestaktion, die von Studierendenvertretern des gesamten politischen Spektrums befürwortet wird. Bei der Demonstration soll es aber nicht nur um den Aufnahmestopp bei Diplomarbeiten am Publizistik-Institut gehen. Die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) will auf die "schlechten Studienbedingungen" an vielen heimischen Unis aufmerksam machen.

In einer Auflistung der Studierendenvertreter scheint etwa die Hochschule in Salzburg auf, wo die Raumsituation "katastrophal" sei. In Innsbruck fehle Geld für den Ankauf von Büchern und es sei in diesem Semester zu einer massiven Kürzung von Lehrveranstaltungen gekommen. Ähnliche Probleme ortet die ÖH in Graz und Linz. Grundübel seien überall zu geringes Budget und Personalmangel.

Dieser Einschätzung stimmen sowohl betroffene Institutsvorstände als auch die Universitätsleitungen zu. Als "sicher nicht symptomatisch für gesamte Universitäten, aber für einige Fächer" bezeichnete WU-Rektor Christoph Badelt die Situation an der Publizistik der Uni Wien.

Die Rektoren fordern vom Bildungsministerium eine einmalige Sonderzuwendung von 100 Mio. Euro, für die Anschaffung und Wartung von Geräten. Wenn Österreichs Hochschulen im europäischen Vergleich mithalten können sollen, dann muss die Forschung gewährleistet sein, betonen die Rektoren. Gehrer stellte den Universitäten Fördersondermittel im Ausmaß von zwei Mal 25 Mio. Euro in Aussicht, diese müssen aber erst bewilligt werden. Kritik an dem Vorschlag kam nicht nur von den Rektoren selbst sondern auch von SP-Wissenschaftssprecher Josef Broukal. Damit stoße die Bildungsministerin sämtliche Beteiligte vor den Kopf.

Die Schuld an der Misere wird derzeit zwischen Unis und Ministerium hin und her geschoben. Gehrer startete dabei einen persönlichen Angriff gegen den Publizistik-Vorstand Wolfgang R. Langenbucher: "An den österreichischen Universitäten gibt es normale Zustände. Es gibt nur ein Institut namens Publizistik, wo jedes Semester dasselbe Theater stattfindet." Dies liege am Institutsleiter, der "seine Hausaufgaben nicht macht", so die Ministerin.

Unmut der Publizistik-Studierenden steigt weiter

Diplomanden, die ihr Studium nicht beenden können, weil ihnen ein Betreuer fehlt, überlegen nun, rechtliche Schritte gegen die Universität einzuleiten.

Unterdessen steigt die Empörung über den Vorschlag des Rektorats der Uni Wien, die Diplomarbeiten von ausländischen Hochschullehrenden online betreuen zu lassen. Die Institutsleitung selbst spricht von einem "absurden" Vorschlag. Man sei zwar erfreut, dass das Rektorat finanzielle Mittel für die Publizistik zur Verfügung stellen will, die Art der Verwendung sei jedoch wenig zielführend.

Die Betreuer müssten dreimal pro Jahr für einen persönlichen Termin mit ihren Diplomanden nach Wien eingeflogen werden. Instituts-Vorstand Langenbucher hat dafür nur Hohn übrig: "Vielleicht ist das in Wahrheit ein Vorschlag zur Sanierung der daniederliegenden europäischen Luftfahrt-Industrie".

Auch ausländische Kollegen, die von der Uni Wien um Hilfe gebeten wurden teilen diese Ansicht: Es sei "ein naiver Plan", meint die Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK), Romy Fröhlich. "Dieses Geld wäre besser investiert in einen Ausbau des Instituts." In Deutschland seien die Universitätsangehörigen selbst so überlastet, dass sie keine Chance sehe, dass jemand in Wien aushelfen kann.

Studierendenvertreter sind unterdessen um Schadensbegrenzung bemüht: Die ÖH, übrigens genauso wie die SPÖ aber auch der Österreichische Cartellverband (ÖCV), fordert die Rückerstattung von Studiengebühren wenn das Studium aus strukturellen Gründen nicht fortgesetzt werden kann. WU-Rektor Badelt brachte in die Debatte ein heikles Thema ein: den freien Hochschulzugang (siehe auch Kommentar unten). Er sagte in einem Interview er glaube an den Hochschulzugang als gesellschaftliches Ziel. Aber: man müsse langfristig überlegen, ob die Studienauswahl weiter völlig unbeeinflusst erfolgen solle. Sei dies der Fall müsse man bei hohen Studierendenzahlen - auch wenn der Arbeitsmarkt diese später nicht aufnehmen werde können - die entsprechenden Ressourcen hineinfließen lassen. Oder aber man denke nach, ob es Sinn mache, "dass so viele ein Fach studieren".