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Verwirrung auf Wiens Einkaufsstraße sollte bald ein Ende haben.
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Wien. 26.000 Kuverts sind mit Mittwoch bereits in den Bezirksämtern eingetroffen. Damit haben bereits mehr als 50 Prozent der Bewohner des 6. und 7. Bezirks ihr Votum für die Mariahilfer Straße abgegeben. Bis Freitag, 10 Uhr, können sie entscheiden, ob die Einkaufstraße nun zu einer Fußgänger- und Begegnungszone umgebaut wird oder nicht. Für die Grünen hängt davon viel ab. Und so mancher Gegner der neuen Fußgängerzone könnte dennoch dafür stimmen, weil die grundsätzliche Linie der Grünen in Wien im Sinne einer sauberen Umwelt passt.
Nichtsdestotrotz: Die Probephase, die mittlerweile schon mehr als ein halbes Jahr andauert, kostete die Bürger bis jetzt nicht nur Nerven, sondern auch viel Geld. Tagtäglich wird ermahnt und abgestraft. Die Fußgänger, die bei Rot über den Zebrastreifen gehen. Die Radfahrer, die zu schnell fahren. Und die Autofahrer, die falsch parken oder falsch abbiegen. Was derzeit als Gehsteig gilt, ist nicht eindeutig ein Gehsteig, weil es nach wie vor eine Straße oder ein alter Parkplatz ist.
"Die momentane Situation ist sehr verwirrend", gibt der Polizist in seinem Büro zu. Vor ihm am Tisch liegt eine große Karte, die Aufschluss darüber geben soll, wie die einzelnen Verkehrsschilder und Bodenstreifen zu deuten sind. Auf der anderen Seite des Tisches steht ein Mann mit einem Strafzettel in der Hand. Der Tatbestand: Er hat mit vier Rädern am Gehsteig geparkt. "Da können sie noch froh sein, dass sie an mich und an keinen Parksheriff geraten sind. Der hätte sie nämlich abschleppen lassen", so der Polizist. Der Mann stand auf keinem Gehsteig an diesem Samstag auf der Mariahilfer Straße. Er stand auf einem "alten" Parkplatz mit einem "Mo bis Fr"-Schild und wusste nicht, dass die gelbe Linie am Boden ein Parkverbot bedeutet. Mit ihm standen etliche andere Autos in einer Reihe, die allesamt mit einem Strafzettel in der Windschutzscheibe bestückt waren.
Anzeige statt Strafzettel
Wie sich herausstellte, bezog sich das Schild auf Lieferzonen. Die Strafe sofort bezahlen konnte der Mann aber nicht. Im Gegensatz zu der Frau, die vor ein paar Tagen auf der Mariahilfer Straße angehalten wurde, weil sie bei Rot die Straße überquert hat. Bei ihr blieb es zwar bei einer Verwarnung, die Frau gegenüber hatte aber weniger Glück. Sie musste 30 Euro zahlen. "Ich hab’ den älteren Polizisten erwischt, die sind gutmütiger", sagt sie erleichtert.
Die Strafen, die derzeit auf der Mariahilfer Straße erfolgen, sind unterschiedlicher Natur. Grundsätzlich gebe es mehrere Möglichkeiten, ein Strafmandat zu erteilen, gibt Martina Cerny von der Volksanwaltschaft Auskunft. Ein Organstrafmandat, der Strafzettel, könne man sofort begleichen. Das sei die günstigste Variante. Vorausgesetzt Polizist und Verkehrsteilnehmer treffen einander. Dann gibt es die Anonymverfügung. Dabei wird der konkrete Täter nicht ausgeforscht. "Die Anonymverfügung wird obsolet, wenn sie nach vier Wochen nicht bezahlt wird", sagt Cerny. Ist das der Fall kommt es zu einem Verwaltungsstrafverfahren: Man wird im Strafregister vorgemerkt. Je öfter man auffällig werde, desto höher die Strafe. Als weitere Möglichkeit in Wien gibt es die Strafverfügung, gegen die man Einspruch erheben kann.
Ob der Falschparker auf dem scheinbaren Gehsteig eine Anonymverfügung bekommt oder ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet wird, ist offen. Laut Volksanwaltschaft gibt es derzeit keine Beschwerden über die derzeitige Situation auf der Mariahilfer Straße. Cerny hält aber fest, dass die Aufstellung eines Verkehrsschildes einer Verordnung zugrunde liegen müsse. Wenn die Verordnung wegfällt, müssten auch die alten Schilder wegkommen.
Wieviele Strafen und Anzeigen es bisher auf der Mariahilfer Straße geregnet hat, weiß die Landespolizei Wien nicht. Sie hatte auf Wunsch im vergangenen August über zwei Wochen mitgezählt. Damals wurden rund 500 Anzeigen verteilt, zu den häufigsten "Delikten" gehörten Falschparken, Rasen, falsch abbiegen. Es sei aber vereinbart worden, keine weitere Statistik zu führen. "Für uns gibt es nicht nur die Mariahilfer Straße", heißt es aus der Landespolizeidirektion. Mindestens zwei Polizisten seien täglich dort unterwegs. Dazu kommen die von der Stadt beauftragten "Parksheriffs", die seit der Einführung der neuen Parkraumbewirtschaftung den ruhenden Verkehr kontrollieren.
Nichts scheint auf der Mariahilfer Straße derzeit eindeutig zu sein. Die Stadt dürfe keine nicht eindeutigen Situationen schaffen, heißt es dazu aus dem Stadtrat-Büro. Viele Verkehrsschilder und Bodenlinien sind dennoch auf den ersten Blick verwirrend.