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Geht beim Goldpreis-Fixing alles mit rechten Dingen zu?

Von Thomas Seifert

Wirtschaft

Seit 1919 läuft das Preisfindungs-Ritual für Gold nach demselben Muster ab.


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Das Londoner Goldfixing folgt einem alten Ritual: Seit 1919 handeln fünf Banker an jedem Börsentag den Goldpreis aus. Banken und Großinvestoren in aller Welt sowie die Minengesellschaften akzeptieren diesen "gefixten" Goldpreis dann als Referenzkurs für alle Goldgeschäfte.

Früher - von 1919 bis April 2004 - traf man sich in den holzvertäfelten Geschäftsräumen der Privatbank N. M. Rothschild & Sons an der Saint Swithin Lane. Von 1919 bis 1967 fand das Fixing nur einmal täglich statt, seither zweimal täglich (10.30 Uhr und 15 Uhr Londoner Zeit), erst seit 1968 notiert der Goldkurs in Dollar, davor wurde Gold in Pfund Sterling gehandelt.

Das Haus Rothschild zog sich 2004 aus dem Goldmarkt zurück, die Gold-Gentlemen verloren ihre Sitzungsräumlichkeiten und das Fixing wird daher seit Mai 2004 in einer Telefonkonferenz erledigt, beziehungsweise die Händler geben die Preise in ein schnödes Handelssystem ein.

Die anderen vier Gründungsmitglieder des ehrenwerten Goldfixing-Clubs - Mocatta & Goldsmid, Samuel Montagu & Co., Pixley & Abell und Sharps & Wilkins - wurden inzwischen von Großbanken übernommen, daher handeln heute HSBC (Hongkong and Shanghai Banking Corporation), Barclays (Großbritannien), die kanadische Bank of Nova Scotia, die französische Société Générale und die Deutsche Bank den Goldpreis aus.

Doch wie funktioniert dieses Fixing? Zu Beginn der Sitzung schlägt der Händler, der dem Fixing vorsitzt, einen zwischen dem Nachfrage- und Angebotskurs liegenden Goldpreis vor: etwa 1959,90 Dollar/Feinunze (31,1 Gramm).

Der Preisvorschlag rauscht dann durch den Goldmarkt, ausgehend von den fünf Mitgliedsbanken, die das Fixing organisieren, zu den Banken und schließlich zu den Marktteilnehmern, die für Kunden Gold kaufen oder verkaufen wollen.

Dann fragt der Vorsitzende seine Kollegen der vier anderen am Fixing teilnehmenden Banken, ob sie zu dem von ihm genannten Kurs Netto-Käufer oder -Verkäufer sind und wie viele Barren sie erwerben oder veräußern wollen.

Halten sich die Kauf- und Verkaufsangebote die Waage, ist das Fixing gelungen, wenn nicht, muss der Fixing-Vorsitzende einen neuen Vorschlag auf den Tisch legen.

Nach meist etwa zehn Minuten erfolgt dann das Ende des Fixings durch den Ausruf des Fixing-Vorsitzenden: "Wir sind im Gleichgewicht, und wir haben gefixt." Kriselt es an den Weltfinanzmärkten, kann das Fixing auch einmal Stunden dauern.

Seitdem das Fixing des Libor-Zinssatzes ins Gerede gekommen ist, wird auch über die Intransparenz der Kursfindung etwa beim Goldfixing diskutiert. Manchmal habe es in der Vergangenheit Verwunderung über ein - aus subjektiver Sicht - zu hohes oder zu niedriges Fixing gegeben, meint ein Goldhändler einer großen österreichischen Bank. Derselbe Goldhändler ist aber davon überzeugt, dass beim Fixing alles mit rechten Dingen zugeht.

Manipulations-Verschwörung?

In der Vergangenheit gab es immer wieder Stimmen, die Goldpreis-Manipulationen - freilich abseits des Fixings - beklagten. Dimitri Speck, Marktanalytiker und Chef-Entwickler für die Handelsstrategien des Asset Managers Staedel Hanseatic, glaubt erklären zu können, warum in früheren Krisen, wie etwa bei der Russlandkrise oder beim LTCM-Debakel in den 90er Jahren, der Goldpreis gegen jegliche Intuition fiel, anstatt anzusteigen, wie man es von einem "sicheren Hafen" erwartet hätte. Denn wenn Panik in den Märkten herrscht, dann ist Gold die Investition der Wahl, oder etwa nicht? Doch was, wenn jemand die Märkte beruhigt, indem der Goldpreis gedrückt wird, um so Ruhe in die hysterische Händlerhorde zu bringen?

Für Speck ist Gold der natürliche Gegenspieler von Papiergeld. Nicht nur er beobachtet, dass Gold während 1000 beobachteter Handelstage im Intraday-Kursverlauf im frühen (asiatischen) Handel tendenziell steigt, während es nach dem 1. und dem 2. Fixing in London (zeitgleich beginnt in New York der Handel) dramatisch einbricht, um sich dann wieder langsam zu erholen. Das Nachmittagsfixing ist eine Art offizieller Weltgoldpreis und wird um 15 Uhr Londoner Zeit ermittelt.

Der mittlerweile verstorbene Schweizer Privatbankier und Gründer der Bank Lips AG sowie Vorstandsmitglied der Rothschild Bank AG in Zürich, Ferdinand Lips, schreibt: "Wie ist es möglich, dass über einen Zeitraum von Monaten, wenn nicht sogar Jahren, der Goldpreis in New York niedriger schließt als das zeitlich vorangegangene Londoner Fixing?"

"Es war ein tagtäglicher Aspekt der Goldpreismanipulation, dass in New York Verkäufe in den letzten Stunden und Minuten des Handels regelmäßig jeden vorangegangenen Preisanstieg zunichte machten. Wie ist es möglich, dass die New Yorker Gold-Händler auf diese Weise Tag für Tag die Londoner Gold-Häuser regelrecht lächerlich machen konnten?"

Bei markanten Einbrüchen des US-Aktienindex Dow Jones fiel Gold meist - im Gegensatz zum sicheren Hafen der Staatsanleihen. Seltsam: Gold sollte doch gerade bei Börsenkrisen steigen, oder etwa nicht?