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Wir könnten auf das Wirtschaftswachstum verzichten. | Der Preis dafür wäre allerdings sehr hoch.
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Bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen des diesjährigen Alpbacher Wirtschaftsgesprächs erhielten jene beiden Teilnehmer, die gegen Wirtschaftswachstum auftraten, den meisten Applaus von den Rängen der jüngeren Teilnehmer. Gleichzeitig zittern Regierungen und Finanzmärkte vor der bloßen Möglichkeit einer Wachstumsabschwächung, und Börsenkurse purzeln.
Das Wirtschaftswachstum ist die Veränderung des BIP (Brutto-Inlandsprodukt). Grob gesprochen ist es die Zunahme der realen, also inflationsbereinigten Summe aller Markttransaktionen, die Wertschöpfung schaffen.
Das BIP ist Zielscheibe mannigfaltiger Kritik: Es enthalte auch Komponenten, die nichts zur Wohlfahrt beitragen, wie die Reparatur von Umweltschäden, gleichzeitig seien wichtige, privat erbrachte Leistungen, wie Pflege oder Kindererziehung, nicht inkludiert.
Und dennoch ist es ein taugliches Instrument zur Messung der Wohlstandsmehrung, solange sich die Größenordnung dieser Komponenten relativ zum BIP nicht sprunghaft verändert.
Geht es auch ohne Wirtschaftswachstum? Ja, aber um den Preis eines dramatischen Wohlstandsverlustes und der Aufgabe von Freiheit und marktwirtschaftlicher Wirtschaftsordnung. Das Wirtschaftswachstum erleichtert die Bewältigung der Staatsschuldenproblematik, es hilft bei der Sicherung unserer Sozialsysteme angesichts ungünstiger demografischer Trends, es sichert Arbeitsplätze trotz steigender Produktivität und ermöglicht nicht zuletzt den Abbau von Armut ohne Verteilungskämpfe im eigenen Land, durch die globalen Wirtschaftsverflechtungen aber auch weltweit.
Schließlich müssen sich die Wachstumsgegner die Frage gefallen lassen, wie denn Wachstum verhindert werden kann. Soll man den Unternehmen verbieten, zu forschen und zu investieren, damit sie kein Wachstum generieren können? Sollen wir Beschränkungen gegen zusätzliche ausländische Touristen verhängen, die das BIP erhöhen? Damit wären wir in einer zentral geplanten Zwangswirtschaft.
Es ist eine gefährliche Illusion zu meinen, wir seien ohnehin auf einem ausreichenden Wohlstandsniveau und könnten dieses Niveau auch ohne Wachstum halten. Unternehmen, die nicht durch Innovation und Investitionen wachsen, werden in einer Marktwirtschaft bald vom Markt verschwinden.
Es geht nicht darum, auf das Wirtschaftswachstum zu verzichten, sondern es geht darum, es im Rahmen der globalen Wettbewerbsbedingungen nachhaltig zu gestalten, also ressourcenschonend und umweltfreundlich. Und zur Nachhaltigkeit gehört auch dazu, dass wir die Verschwendung von Mitteln verhindern und Ineffizienzen im öffentlichen Sektor abbauen, die zwar das BIP erhöhen, aber einen produktiveren Einsatz der zur Verfügung stehenden Mittel verhindern.
Erhard Fürst war viele Jahre lang Leiter der Abteilung Wirtschaft und Industriepolitik in der Industriellenvereinigung.