Hier und da wird es laut Wifo-Expertin Margit Schratzenstaller eng im Budget.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Die Heta-Abwicklung, steigende Arbeitslosigkeit, die Flüchtlingskrise, eine 5,2 Milliarden Euro schwere Steuerreform - es sind keine einfachen Zeiten für den heimischen Haushalt. Vergangene Woche hat Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) das Budget für 2016 vorgestellt. Seine Prognose: Es geht sich schon aus, das strukturelle Nulldefizit .
Ob es sich tatsächlich ausgeht, hängt von einer Reihe Wenns ab. Denn in manchen Bereichen wird es eng für den Finanzminister. In anderen wiederum sind schlaue Puffer eingebaut, sodass sich am Ende das geplante strukturelle Nulldefizit von 0,54 Prozent des Bruttoinlandsprodukts doch noch irgendwie ausgeht. Hier ein Überblick der größten Unsicherheiten im Budgetplan für 2016.
1) Gegenfinanzierung der Steuerreform
"Der größte Brocken ist die Gegenfinanzierung der Steuerreform", sagt Margit Schratzenstaller vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) zur "Wiener Zeitung". Vor allem jene 1,9 Milliarden Euro, die das Finanzministerium mittels Betrugsbekämpfung einnehmen will, bringen eine Reihe von Unwägbarkeiten mit sich.
Zum Beispiel, ob die Registrierkassenpflicht im kommenden Jahr tatsächlich 900 Millionen Euro einbringt. "Die Verschiebung der Registrierkassen verstärkt hier die Unsicherheit." Die Regierung hat ja den Unternehmen eine Schonfrist bis Juli 2016 gewährt. Bis dahin sollte zwar jeder ab einem Umsatz von 30.000 Euro jährlich eine Regiestierkassa haben. Verstöße gegen die Verordnung bleiben aber bis Juli straffrei. Durch die Abschaffung des Bankgeheimnisses sollen 2016 bis zu 700 Millionen Euro eingenommen werden.
"Auf lange Sicht sind diese Maßnahmen sehr wichtig und sinnvoll", so Schratzenstaller. Es sei lediglich fraglich, ob sie auch kurzfristig so viel Geld einbringen.
2) Steigende Arbeitslosigkeit
Die Arbeitslosenquote beträgt derzeit 8,3 Prozent. Ende September waren 391.417 Menschen ohne Job. Das ist ein Negativrekord für Österreich, der im kommenden Jahr weiter steigen dürfe. Das Wifo und das Institut für Höhere Studien (IHS) rechnen mit einem Anstieg auf 9,2 beziehungsweise 9,3 Prozent. Für den Haushalt ist das doppelt schlecht. Zum einen entgehen dem Staat dadurch Steuereinnahmen. Zum anderen kostet jeder Jobsuchende Geld - für Arbeitslosengeld, Schulungen.
Der Finanzminister will im kommenden Jahr 2,6 Milliarden Euro für den Arbeitsmarkt in die Hand nehmen - also für Weiterbildungen, Anreize für Unternehmer, Arbeitslose. Das sind 944 Millionen mehr als im Vorjahr. Dass sich das reicht, bezweifelt Schratzenstaller angesichts der steigenden Zahlen.
Eigentlich war schon für das laufende Jahr ein Rückgang des Arbeitsmarktbudgets von 3,7 Prozent vorgesehen. Mit Ende des Jahres dürften die Kosten aber um elf Prozent höher ausfallen als im Vorjahr.
3) Bankenrettung und Heta-Abwicklung
Die Heta-Abwicklung, vor der sich Schellings Vorgänger lange Zeit gedrückt haben, ist eine der größten Brocken mit zahlreichen Ungewissheiten im Budgetplan für 2016. Noch im Mai waren im mittelfristigen Finanzrahmen 600 Millionen Euro für Bankenhilfen im kommenden Jahr vorgesehen. Im Budgetbericht von vergangener Woche stehen nun 700 Millionen. Wie teuer uns das letztlich kommt, hängt einerseits davon ab, ob und wie hoch der geplante Schuldenschnitt ausfällt, wie sich das Heta-Moratorium entwickelt, welches Ende der Hypo-Vergleich zwischen der Republik und Bayern nimmt, und, und, und.
Ohne Heta betrügen die öffentlichen Schulden 80,1 Prozent des BIP, das Budgetdefizit nach Maastricht läge bei nur einem Prozent. Inklusive Heta steigt die Schuldenquote auf 84,2 und das Maastricht-Defizit auf 2,7 Prozent.
4) Flüchtlingskrise
Heuer werden 85.000 Menschen erwartet, die in Österreich einen Asylantrag stellen werden. Dass es kommendes Jahr weniger werden, muss angesichts der ausweglosen Situation in Syrien und dem Irak bezweifelt werden. Für heuer rechnet die Bundesregierung mit einer Milliarde Euro für Grundversorgung, Integrations- und Arbeitsmarktmaßnahmen und Grenzschutz.
Angesichts der Ausnahmesituation will nun Österreich mit Brüssel darüber verhandeln, 500 Millionen Euro für das Budget anzurechnen, damit das strukturelle Defizit nicht belastet wird. Sollte Brüssel hier nicht einlenken, würde das strukturelle Defizit im kommenden Jahr statt 0,54 Prozent 0,66 Prozent des BIP betragen. "Also noch im Rahmen", meint Schratzenstaller.
5) Pensionen, Bildung, Sparmaßnahmen
Auch in diesen Bereichen gibt es noch einige Ungewissheiten. Das Bildungsressort ist etwa seit Jahren unterfinanziert. Heuer ist eine Aufstockung von 350 Millionen nötig, im kommenden Jahr vermutlich 107 Millionen. Laut Schratzenstaller ist die für den 17. November angekündigte Präsentation der Bildungsreform wegweisend dafür, ob und wo gespart oder aufgestockt werden muss.
Bei den Pensionen könnten eine höhere Inflation und Arbeitslosigkeit die Kosten weiter in die Höhe treiben. Was die Einsparungen auf Bundes-, Länder- und Gemeindeebene angeht, fehlen hier noch konkrete Maßnahmen. Wo hier also die angekündigten 1,4 Milliarden Euro herkommen sollen, ist noch unklar.
6) Wirtschaftswachstum
Das mit dem Wirtschaftswachstum ist so eine Sache. Das Finanzministerium geht, ebenso wie Wifo und IHS, von einem Wachstum von 1,4 Prozent des BIP für 2016 aus. "Hier ist man immer positiv gestimmt, und wenn es sich am Ende nicht ausgeht, war man nicht selbst schuld", sagt Christian Kreuzer, Geschäftsführer des Controller Instituts.
Je höher das Wachstum, desto mehr Beschäftigung und desto mehr Einnahmen und weniger Ausgaben für den Staat. Für Österreich gilt laut OECD die ganz grobe sogenannte Budgetsensitivität von 0,58. "Das bedeutet, dass das Budgetdefizit um 0,58 Prozent des nominellen BIP sinkt, wenn das reale BIP um ein Prozent steigt", erklärt Schratzenstaller, wobei man den Wert nicht eins zu eins übertragen dürfe und er je nach Rahmenbedingungen und Jahr unterschiedlich ausfallen kann. Wenn also die Wirtschaft 2016 stärker wächst, bleibt dem Staat mehr über. Wenn sie schrumpft, war zumindest niemand schuld.
7) Zinsen und Rückstellungen
Die Zinsen für Staatsanleihen sind ein beliebter Posten im Budget, um zumindest einen kleinen Puffer für unerwartete Ausgaben einzubauen. Zwischen 2010 und 2013 ist das Budgetdefizit nach Maastricht immer etwas geringer ausgefallen als ursprünglich geplant. In den letzten Jahren hat Österreich bis zu einer Milliarde Euro weniger an Zinsen für Anleihen gezahlt als budgetiert.
Das liegt vor allem daran, dass die Zinsen schon länger auf einem Rekordtief verharren, erklärt Schratzenstaller. Heuer hat Österreich erstmals Negativzinsen für manche Staatsanleihen begeben. Im Budget für 2016 rechnet man mit Sekundärrenditen von 0,5 Prozent. Die Ausgaben könnten aber geringer ausfallen, was Geld für anderes freischaufelt.