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Geiselhaft für Serienseher

Von Gerald Schmickl

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Der längste Tag im Leben Jack Bauers dauert für uns noch länger. Für die bisherigen 14 Stunden des Antiterroragenten am Tag der kalifornischen Vorwahl zur US-Präsidentschaft benötigten wir Zuseher schon mehr als zwei Wochen. Und noch sind 10 Stunden ausständig, bis die so genannte Echzeitserie "24" abgelaufen sein wird. Bevor es heute Abend rastlos weitergeht (sowohl auf ORF 1 als auch auf RTL 2), ist noch schnell Zeit für eine Zwischenbilanz. Natürlich ist die Serie spannend und lässt einen nicht mehr los, ist man ihrer atemlosen Countdown-Dramaturgie einmal verfallen, trotzdem sind die vielfach geäußerten Vergleiche mit "Twin Peaks" falsch. David Lynch hat mit der einstigen Kult-Serie (auch heute, wie jeden Freitag, auf Kabel 1 wieder zu sehen) viele Gesetze des Genres gebrochen, indem er auf höchst spielerische und kreative Art Versatzstücke verschiedenster TV-Gattungen kreuzte und zu einer neuen, so noch nie gesehenen Version kombinierte.

"24" hingegen ist schnurgerade entlang der üblichen Spannungsfäden geknüpft, steht ganz in der Tradition des linearen Agententhrillers, ohne Abschweifung - und letztlich auch ohne Humor. Nicht einmal die Echtzeitfiktion ist wirklich neu, erhöht aber die Dauererregung, mit der man wie eine Geisel an den TV-Stuhl gefesselt wird. Deshalb ist man für Unterbrechungen dankbar. 24 Stunden in einem Durchgang würden wir nicht so unbeschadet überstehen wie der äußerlich stets adrette Jack Bauer alias Kiefer Sutherland.