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Geist, Sport, Politik

Von Hermann Schlösser

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Um als Professor für Literaturwissenschaft in der "ZiB 3" interviewt zu werden, muss man 1. Wendelin Schmidt-Dengler heißen und darf 2. nicht über Literatur sprechen. Beide Bedingungen waren am Mittwochabend erfüllt, als der prominente Wiener Germanist die intellektuellen Reize des Fußballspiels erklärte.

Kurz zusammengefasst, war Schmidt-Dengler der Ansicht, der Fußball biete sich als Deutungsmuster für alle Bereiche der Gesellschaft an: Politik, Kultur - alles sei im Prinzip wie Fußball.

Auch in den "Gedanken für den Tag" (Ö1) hat Schmidt-Dengler schon über die Liebe zum Fußball nachgedacht. Wer ihn im Radio hören wollte, musste früh aufstehen, denn er sprach dort um 6.57 Uhr. Im Fernsehen dagegen erschien er um Mitternacht. Die "Prime Time" wird einem Professor offenbar auch dann nicht eingeräumt, wenn er anregend und gescheit über den Sport als Zentralmetapher des derzeitigen Lebens nachdenkt.

In derselben "ZiB" wurde allerdings auch klar, dass die Versportlichung der Politiksprache ihre Schattenseiten hat: Jörg Haider bezeichnete die neue Jusitzministerin Miklautsch als "Boxenluder" der FPÖ und wollte partout nicht verstehen, warum die Ministerin von diesem "sportlichen Ausdruck", wie er es nannte, nicht sehr begeistert war.

Schade, dass der Germanist vor den innenpolitischen Nachrichten interviewt wurde. Eine sprachkritische Anmerkung zu Haiders Gebrauch des Wortes "Boxenluder" hätte man gern von ihm gehört.