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Das Sondertreffen der 28 EU-Innenminister und des US-Justizministers zum Thema Terrorbekämpfung in Brüssel steht natürlich im Bann der Anschläge in Frankreich. Gerade deshalb ist es notwendig, dass alle kühlen Kopf bewahren. Europa muss unbedingt vermeiden, dieselben Fehler zu machen, die von der Bush-Administration nach "9/11" gemacht worden sind.
Die existierenden Bestimmungen und Regeln für Polizei und Geheimdienste sind ausreichend. Eine weitere Einschränkung der Bürgerrechte würde nur den Terroristen recht geben. Die EU ist eine liberale, den Menschenrechten verpflichtete Gesellschaft und muss es bleiben.
Dringend notwendig wäre allerdings eine stärkere Koordination der Exekutive in der EU. In den EU-Ländern sorgen insgesamt mehr als 100 staatliche Sicherheits-Organisationen für Recht und Ordnung - reichlich unkoordiniert.
Wenn die EU das Wort Union im Namen also verdient, werden sich die nationalen Parlamente damit anfreunden müssen, dass Daten EU-weit ausgetauscht werden dürfen. Brüssel drängt seit längerem auf eine europäische Sicherheitsstrategie, die - wie so vieles andere auch - an nationalen Egoismen gescheitert ist.
Wenn die EU Zeitungsredaktionen und jüdische Einrichtungen wirkungsvoll vor solchen Verbrechern schützen will (und das will sie ganz bestimmt), muss es lückenlosen Datenaustausch geben. Es kann nicht sein, dass der britische Inlandsgeheimdienst etwas weiß, von dem die französische Gendarmerie keine Ahnung hat.
Die Innenminister der Union sollten sich daher mit der Forderung nach weiteren Überwachungsmethoden zurückhalten und sich selbst bei der Nase nehmen. Auch eine Einschränkung des Schengen-Abkommens wäre der komplett verkehrte Weg. Vor Terroristen, die mit dem Islam gar nichts zu tun haben, auch wenn sie ständig "Gott ist groß" schreien, kapituliert eine freie Gesellschaft nicht. Die Wiedereinsetzung nationaler Grenzen wäre eine solche Kapitulation.
Es kann nur den umgekehrten Weg geben, die Schaffung einer europäischen Sicherheitsstruktur. Dazu gehört auch, was früher "geistige Landesverteidigung" genannt wurde. Es wird auch notwendig sein, der Bevölkerung klarzumachen, dass Gebetsräume von Muslimen nicht a priori Terror-Zellen sind. Europa muss seine Freiheit verteidigen, ohne Zweifel. Aber nicht mit Repressalien, sondern mit Offenheit.