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Geistliche mit weltlichem Machtanspruch

Von Martyna Czarnowska

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In Rumänien ist eine Debatte um den Einfluss der orthodoxen Kirche auf die Politik entbrannt.


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In der evangelischen Kirche von Brasov (einst Kronstadt) hängen moslemische Gebetsteppiche. Bis zu 500 Jahre sind sie alt, und ihre kräftigen Braun- und Rottöne sind noch immer nicht völlig verblasst. Gespendet wurden sie von Siebenbürger Kaufleuten, die wohlbehalten von ihren Handelsreisen nach Anatolien zurückgekommen waren.

Jahrhundertelang waren in Rumänien Religionen und Volksgruppen miteinander vermischt. Die Siebenbürger Sachsen prägten wie die Rumänen die Kultur in Transsilvanien, die Ungarn brachten ihre Sprache und Tradition ein. Doch mittlerweile besuchen mehr Touristen denn Gottesdienstgänger die alten sächsischen Kirchenbauten, die wie Trutzburgen von Wehrmauern und -türmen umgeben sind. In Brasov leben gerade einmal ein paar hundert Siebenbürger Sachsen. Schon in Zeiten des Kommunismus emigrierten viele Deutschstämmige aus Rumänien; die größte Auswanderungswelle folgte dann nach 1989. Hunderttausende Menschen verließen das Land.

Umgekehrt gewann die rumänisch orthodoxe Kirche nach dem Sturz der Diktatur Nicolae Ceausescus wieder an Einfluss. Und das allzu sehr, befinden einige Kritiker. So würde die Kirche Druck auf Politiker ausüben, geplante Reformen im Schulwesen - und damit auch im Religionsunterricht - zu verwässern.

Der Plan war, die Neuerungen noch vor der Parlamentswahl zu beschließen, die für November angesetzt ist. So sollten Alternativen zum Religionsunterricht und die Möglichkeit geschaffen werden, auch andere als orthodoxe Symbole in Klassenzimmern anzubringen. Ebenso sollten Atheisten, die älter als 16 Jahre sind, dem Religionsunterricht auch ohne elterliche Erlaubnis fernbleiben dürfen.

Doch nach einer öffentlichen Debatte und Treffen mit Vertretern der Orthodoxie wurde etwa das Vorhaben eines Alternativunterrichts wieder fallengelassen. Nun werfen Menschenrechtsorganisationen den Politikern vor, was das Unterrichtsministerium in Bukarest zurückweist: sich dem Druck der Kirche gebeugt zu haben.

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Das US-State Department listet in seinem Internationalen Report zur Religionsfreiheit für das Jahr 2007 etliche Berichte von Diskriminierung in Rumänien auf. Zeugen Jehovas und Adventisten klagten darüber, dass sie in einigen Gemeinden keine Gebetsräume erhielten oder Schwierigkeiten hätten, ihre Toten regulär auf Friedhöfen zu bestatten. In manchen Orten wird heftig darüber gestritten, ob katholische Gläubige eine Kirche nutzen dürfen, die in der kommunistischen Zeit der Orthodoxie vorbehalten war.

"Die orthodoxe Kirche nutzte ihren Einfluss oft dazu, Druck auf kleine Gruppen und Regierungsvertreter auszuüben, um sich Vorteile zu verschaffen", heißt es in dem US-Bericht.

Die Vorteile sind auch finanzielle. So ist der Streit um die Rückgabe von Kirchengütern noch immer nicht beendet. 1948 wurde etwa die griechisch-katholische Kirche verboten, die römisch-katholische war nur noch toleriert. Die Kirchengebäude wurden verstaatlicht - oder gingen an die Orthodoxen über. Die gehen nun bei der Rückgabe zögerlicher vor, als es das Gesetz mittlerweile vorsieht.

Bis Mitte des Vorjahres wurden 1105 Gebäude restituiert; in weiteren 664 Fällen wurde die Rückgabe verweigert oder eine andere Lösung gefunden. Anträge gab es mehr als 14.700.