Verhandlungen über EU-Agrarbudget: "Ausgangslage ist dramatisch schlecht". | Kein Bundestopf mehr für thermische Sanierung. | Integration des Klimafonds in AWS-Nationalstiftung nicht ausgeschlossen. | "Wiener Zeitung": Müssen die Bauern den Gürtel enger schnallen? Das Agrarbudget ist in der Debatte über den EU-Haushalt von 2014 bis 2020 enorm unter Druck. | Nikolaus Berlakovich: Die Ausgangslage ist dramatisch schlecht: Erstens sind die Begehrlichkeiten groß, weil die Mitgliedstaaten hohe Schulden eingegangen sind und aus dem Agrarbereich Geld haben wollen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Zweitens wollen die osteuropäischen Länder dieselben Direktzahlungen wie die alten EU-Mitglieder. Und es gibt eine neue Kulisse für die Unterstützung der Berggebiete und benachteiligten Gebiete. Kürzungen wären aber fatal, weil es um den Erhalt einer flächendeckenden, nachhaltigen Landwirtschaft in Europa geht.
Die Bauern-Einkommen sind 2009 gesunken, in Österreich um 20 Prozent. Der EU ist es nicht gelungen, Preisschwankungen einzudämmen. Was muss passieren?
Das Einkommensminus 2009 schmerzt. In den beiden Jahren davor gab es aber starke Zuwächse. Die enorme Preis-Volatilität ist ein neues Phänomen im Agrarsektor. 2007 sind die Preise von Milch und Getreide enorm gestiegen, der Bauer hatte das Gefühl, seine Arbeit ist etwas wert. Mit dem Platzen der Spekulationsblase sind auch die Agrarpreise hinuntergerasselt, deshalb jetzt der Frust.
Es hat sich aber gezeigt, dass die Direktzahlungen ein Basiseinkommen sichern konnten, sonst hätten wir ein Bauernsterben ungeahnten Ausmaßes erlebt.
Im Mai 2009 haben Sie Bio-Landwirtschaft als Zukunftsthema bezeichnet. Gilt das heute auch noch?
Ja, natürlich.
Fakt ist: Seit Dezember 2009 werden Bauern, die auf Bio umstellen, nicht mehr aus dem Umweltprogramm Öpul gefördert. Wie passt das zusammen?
Ein Bauer, der biologisch wirtschaften will, verpflichtet sich, das mehrere Jahre einzuhalten und bekommt dafür eine Förderung. Das Umweltprogramm endet 2013, und wir können seriöserweise nicht sagen, wie die Finanzierung danach aussieht. Deshalb der Umstellungsstopp. Bestehende Bio-Betriebe können aber Flächen zukaufen oder pachten und bekommen einen ökologischen Leistungslohn.
Sie nehmen in Kauf, dass es weniger Betriebe gibt, zumal einige hundert ausscheiden?
Es kommen nur keine neuen dazu. Uns geht es nicht um die Zahl der Betriebe, sondern um die Fläche, die biologisch bewirtschaftet wird - und da sind wir mit 17,5 Prozent Anteil EU-Spitzenreiter.
Ist die Wachstumsphantasie bei Bio nicht ohnehin weg?
Es ist richtig, dass der Konsument mehr auf den Preis schaut und es eine gewisse Stagnation gibt. Der Konsument muss sich entscheiden, was er will: "Geiz ist geil" ist im Lebensmittelhandel ein falsches Signal. Die biologische Landwirtschaft hat aber allemal eine Perspektive, weil wir die Produkte mehr denn je auch auf Auslandsmärkten präsentieren und absetzen.
Energie aus Biomasse gilt auch als Wachstumsthema. Wie verträgt sich die dort übliche intensive Bewirtschaftung mit der österreichischen Struktur, die kleinteilig ist, nachhaltig sein soll und Gentechnik kategorisch ablehnt?
Biomasse bedeutet nicht zwangsläufig eine Intensivierung der Produktion. Biosprit ist etwa ein Absatzkanal für Getreide von minderer Qualität, das sonst Vermarktungsprobleme hätte. Wenn nach einer sehr guten Maisernte der Preis darniederliegt, so kann dadurch eine vernünftige Wertschöpfung erreicht werden. Oder Schadholz aus den Wäldern nach Schnee- und Windbruchkatastrophen - dieses Potenzial möchte ich für die Bioenergie-Versorgung nutzen, um die Vision eines energieautarken Österreich umzusetzen. Der Gas- und Ölstreit zeigt, wie verwundbar wir sind. Da ist es sinnvoll, möglichst viel Energie dezentral zu erzeugen - etwa, indem sich Bauern oder Waldbesitzer mit Fernwärmeanlagen zusammenschließen.
Um energieautark zu sein, werden Ernteüberschüsse nicht reichen.
An erster Stelle muss Energieeinsparung stehen, ein weiteres Zauberwort ist Energieeffizienz. Die dritte Schiene ist die Mehrerzeugung - hier arbeiten wir am Ziel von 34 Prozent Anteil erneuerbarer Energie bis 2020. In den nächsten Monaten werden wir die Energiestrategie für Österreich präsentieren, in der es um neue Möglichkeiten bei Wasserkraft, Wind-, Sonnen- und Biomasse geht.
Einer der Hauptklimasünder ist der Verkehr. Was muss hier geschehen?
Da ist die zuständige Verkehrsministerin gefordert, die Klimastrategie umzusetzen - angefangen beim Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Wenn die ÖBB den Güterverkehr von der Schiene auf die Straße zurückverlegen will und dadurch 14.000 Lkw mehr unterwegs sind, werden wir die Ziele nie erreichen. Wo das Umweltministerium unterstützen kann, ist die Beratung von Betrieben, Städten und Gemeinden beim Mobilitätsmanagement. Wir helfen Firmen bei neuen Technologien, fördern Pkw mit alternativem Antrieb wie Strom oder Erdgas.
Alles Maßnahmen, die niemandem weh tun. Sie haben noch nie eine Pkw-Maut oder eine CO2-Steuer gefordert. Wer sollte das tun, wenn nicht der Umweltminister?
Wenn wir die Maßnahmen umsetzen, die am Tisch liegen, ist es nicht prioritär notwendig. Sarkozy musste in Frankreich die von vielen bejubelte CO2-Steuer wieder zurückziehen. Wir haben die Normverbrauchsabgabe mit einem Bonus-Malus-System verschärft, das Menschen, die Autos mit geringerem CO2-Ausstoß kaufen, steuerlich belohnt.
Stichwort Verbündete: Das Klimaschutzgesetz soll die Lastenteilung mit den Bundesländern regeln. Wie weit ist man davon entfernt?
Gerüchte, wonach ich den Gesetzesentwurf zurückgezogen hätte, stimmen nicht. Wir sind in einem intensiven Verhandlungsprozess. Der Unterschied zwischen den öffentlichen Erklärungen, wie wichtig Klimaschutz ist, und den Aussagen am Verhandlungstisch ist groß.
Die Zeit der Lippenbekenntnisse muss vorbei sein, wenn mir auch klar ist, dass wir damit völliges Neuland betreten. Auch in Großbritannien hat es mehr als zwei Jahre gedauert, bis so ein Gesetz umgesetzt werden konnte. Und parallel dazu laufen die Klimaschutzmaßnahmen weiter - es ist ja nicht so, dass inzwischen nichts passiert.
Das Budget des Klima- und Energiefonds ist bis 2010 fixiert. Wie geht es weiter?
Meiner Meinung nach hat er sich bewährt. Wir haben die Zuständigkeit im Vorjahr von vier auf zwei Ministerien - im Lebens- und Infrastrukturministerium - beschränkt. Die Zusammenarbeit funktioniert gut, sodass ich es für sinnvoll erachten würde, wenn der Klima- und Energiefonds weitergeführt wird.
Was halten Sie von dem Vorschlag von AWS-Geschäftsführer Hans Moser, die Agenden des Klimafonds in die Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung zu integrieren?
Das steht momentan nicht zur Debatte, ich höre von dem Vorschlag zum ersten Mal. Von vorne ausschließen möchte ich nichts, wir werden das zum gegebenen Zeitpunkt prüfen.
Im Konjunkturpaket gab es 100 Millionen für thermische Sanierung. Ist eine Neuauflage geplant?
Das war eines der erfolgreichsten Projekte der Regierung. Wir evaluieren diese Aktion jetzt, die Baumaßnahmen werden ja nach wie vor umgesetzt. In der Zwischenzeit ist es an den Bundesländern, die thermische Sanierung über die Wohnbauförderung voranzutreiben - so, wie es die 15a-Vereinbarung vorsieht.
Bundesbudget gibt es dafür also keines?
Da gibt es derzeit keine Extra-Finanzmittel. Das große Geld haben die Bundesländer im Rahmen der Wohnbauförderung.