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Gelati, Gelati!

Von Mathias Ziegler und Bernhard Baumgartner

Reflexionen

Weil das Angebot an Eissalons in Wien schier unüberblickbar scheint, müssen sich die Anbieter immer wieder etwas Neues einfallen lassen, um Kunden zu locken. Und so gibt es mittlerweile auch schon Ausgefallenes wie Sesameis, Griechisches Joghurt oder After Eight.


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Wer sich auf die Fußball-Europameisterschaft einstimmen will, ist derzeit am besten im "Eissalon am Schwedenplatz" oder beim "Tichy" am Reumannplatz aufgehoben. Während Silvio Malin Pradel und seine Frau in der Wiener Innenstadt einen internationalen "Coppa Europa" - in Richtung Alexander-Cocktail mit feiner Kokossauce, drei Eiskugeln (zwei Milch- und eine Fruchtsorte) sowie einem Milchschokoball - kreiert haben, kredenzt Kurt Tichy seinen Kunden in Wien-Favoriten einen "Coup Ostarrichi": Die fußballförmige Schale stammt noch aus einer Aktion im WM-Jahr 1990, der Inhalt besteht aus Haselnuss-, Pistazien- und Fioccoeis, garniert mit Schokoladensauce und Marillenstückchen. Fehlt für den hartgesottenen Fußballfan eigentlich nur noch eines: Bier-Eis. Das bietet aber, so ein Rundruf des "Wiener Journals", offenbar kein heimischer Eissalon an.

"Wir haben es vor ein paar Jahren probiert, aber es kam nicht besonders gut an", erzählt Pradel. Nachsatz: "Ich trinke selbst gerne Bier, aber schlecken möchte ich es nicht." Das Problem beim Biereis, so Tichy, sei die Kohlensäure: "Ohne die schmeckt

es halt ein bisschen fad. Wir haben schon einmal probiert, Eis mit Kohlensäure zu machen - dabei wären wir fast explodiert." Und so wird Tichy Anfang Mai statt Biereis zwei andere neue Kreationen aus dem Safe holen. "Die haben wir uns über den Winter ausgedacht, dann hat in der Familie jeder seinen Senf dazugegeben - und am Schluss ist etwas Gutes herausgekommen." Was genau die Familie Tichy sich für heuer einfallen hat lassen, will man noch nicht verraten. Nur soviel: "Es werden zwei Coups fürs Lokal, ein eher nobler und ein eher lustiger."

In Zeiten wie diesen sei es essentiell für einen Eissalon, sich immer wieder etwas Neues auszudenken, sagt Tichy. "Der Markt ist schon lange überreizt, und neben den alteingesessenen Betrieben, die gut gehen, halten sich nur ein paar andere über Wasser. Viele sperren auf - und gleich wieder zu." Bei aller Kreativität gilt es den Kontakt zu den Stammkunden nicht zu verlieren, denn von denen lebt ein Eissalon. "Gerade wir im Außenbezirk Favoriten müssen extra angefahren werden, da haben es die Kollegen in der Innenstadt ein bisschen leichter", meint Tichy. Und so versucht er die richtige Balance zu finden zwischen Exotischem und Altbewährtem, damit für jeden Kundengeschmack etwas dabei ist.

Ausbruch aus dem Erdbeer-Schoko-Ghetto. Manche Sorten sind Klassiker, die auf keiner Karte des Eissalons fehlen dürfen. Dazu gehören etwa Schoko, Vanille und Pistazie. Aber auch Stracciatella oder Himbeere sind nicht mehr wegzudenken. Dennoch lassen sich die Eissalons jede Saison nicht nur besondere Eisbecher fürs Lokal, sondern auch immer neue, exklusive Geschmacksrichtungen fürs Stanitzeleis einfallen. Ganz vorne ist dabei etwa "Fratelli" in der Rotenturmstraße. Dort setzt man heuer unter anderem auf Blutorangeneis, das schon beim ersten Lippenkontakt wie eine Explosion aus saurer Fruchtigkeit wirkt. Wer es ein wenig süßlicher will, wird mit Crème brûlée gut bedient: sehr süß mit starkem Caramellaroma. Auch Biscotta wird seinem Namen gerecht: Knusprige Krokantstückchen verwöhnen den Gaumen, die originelle Sorte mit Potential zum modernen Klassiker ist dabei nicht so süß, wie man vermuten würde. Überraschend stark alkoholisch schmeckt dafür Whiskey-Creme, auch bei der Sorte After Eight hat man für den Geschmack unserer Tester ein bisschen zu tief in den Topf mit dem minzigen Aromen gegriffen.

Nur einen Steinwurf von der Rotenturmstraßeentfernt ist man auch am Schwedenplatz mit neuen Sorten konfrontiert. Wer bei Herrn Pradel Griechisches Jogurt wählt, bekommt genau das; das Eis schmeckt jedoch mild, ist cremig und nicht aufdringlich süß. Wie eine in Kugelform verfrachtete Tasse Mokka schmeckt hingegen Variegato Cremino, eine Art Kaffee-Eis mit Spuren von Haselnussaroma. Ein klarer Fall für Kaffeeliebhaber. Bei der Geschmacksrichtung Schokobanane wiederum wurden offenbar zwei Kugeln zu einer komprimiert, und so treffen zwei Aromen direkt aufeinander - ganz genauso wie bei der Originalvorlage aus der Schachtel. Sehr gut kam bei den Testern die Sorte Cookies an: Mit dicken, knusprigen Keksen in sehr süßer caramelliger Grundmasse hat sie das Zeug zu einem Renner der Saison. Als experimentell muss man wohl die Sorte Honig-Jogurt-Sesam sehen, mit der Pradel die Gaumen der Orient-Fans erfreuen will. Von früheren Experimenten wie Campari-Orange oder Himbeer-Prosecco ist man zumindest bei unserem Test wieder abgekommen. Auch das in jüngster Zeit oft zitierte Ingwereis suchten wir diesmal vergeblich.

Abgesehen vom EM-Eisbecher gibt man sich bei Tichy heuer ganz traditionell. Beim Erfinder der Eismarillenknödel ist Zimt in dieser Saison die ausgefallenste Eissorte an der Tafel im Verkaufsraum. Wobei die Kugel überraschend wenig Zimtgeschmack aufweist und wohl perfekt zu Apfeleis passen würde - das es nur leider am Reumannplatz nicht gibt. Dafür hat Tichy ein Marilleneis, das schon beim ersten Schlecker Assoziationen mit kleinen, überreifen Früchten frisch vom Markt weckt. Oder ein Heidelbeereis, bei dem man meinen könnte, man schmeckt richtig den Wald.

Süßstoff statt Zucker, Soja statt Milch. Natürlich gehen viele der insgesamt 131 Eissalons, die in Wien mehr oder weniger erfolgreich um ihre Existenz kämpfen, mittlerweile auch auf Kunden ein, die sich - etwa wegen Diabetes oder einer Diät - nicht allzu viel Süßes erlauben dürfen. Oder die keine Milch vertragen: "Wir führen bereits mehrere laktosefreie Eissorten aus Sojamilch", berichtet Pradel. Und er ist nicht der Einzige in Wien. Der Eissalon "Mauß" in Wien-Ottakring beispielsweise setzt seit längerem auf Diät-Spezialitäten - kein Wunder, liegen doch gleich drei Seniorenresidenzen in seinem näheren Einzugskreis.

Einer, der sich auf eine ganz andere Weise mit dem Thema Eis und Eisgenuss auseinandergesetzt hat, ist Kadim Polat, der Geschäftsführer der "Icebar Vienna". Der Name ist übrigens wörtlich zu nehmen: In dem 80 Quadratmeter großen Raum in den Stadtbahnbögen 186-188 (Döblinger Gürtel) ist nämlich so gut wie alles aus Eis. Bei minus fünf Grad sitzen die Kunden an Eistischen auf Eishockern und bekommen ihre Getränke in Eisgläsern serviert - der Begriff Wodka auf Eis wird hier quasi neu definiert. Der Spaß, für den 420 Eisblöcke aus einem skandinavischen See nach Wien gekarrt wurden, kostet pro Besuch 18 Euro (inklusive ein Getränk) - allzu lange dürfte es die Gäste trotz Thermoponchos aber nicht in der Bar halten. Und auch die Kellner, deren Jacken mittels Akku gewärmt werden, wechseln einander stündlich ab, um Krankenständen vorzubeugen. Wem der Jux dann doch zu kalt wird, der kann sich im Sommer aber auch in den ganz normalen Gastgarten setzen - und dort in der warmen Sonne ein kühles Eis schlecken.