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Geld ist das beste Aids-Medikament

Von Ronald Schönhuber

Analysen

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Sich in den 1980ern mit Aids anzustecken kam nicht nur in Kasensero, jenem ugandischen Fischerdorf, in dem die Immunschwächekrankheit zum ersten Mal als Epidemie auftrat, einem Todesurteil gleich. Auch in Europa und Amerika gab es kein Rezept gegen die rätselhafte Seuche, die die Menschen bis auf die Knochen abmagern ließ. Heute ist Aids zwar noch immer eine unheilbare Krankheit, aber dank der Fortschritte bei den anti-retroviralen Medikamenten können die Betroffenen über viele Jahre hinweg ein halbwegs normales Leben führen. Vorausgesetzt allerdings, dass sie in den reichen Staaten des Westens leben.

In den armen Ländern konnte der Anteil der HIV-Infizierten, die die lebensrettenden Medikamente bekommen, zwar in wenigen Jahren auf 50 Prozent gesteigert werden, doch der Umkehrschluss macht deutlich, wie groß das Problem noch ist: Bis heute verfügt die Hälfte der HIV-Infizierten noch immer über keinen adäquaten Zugang zu Medikamenten.

Die Ursachen dafür sind relativ simpel, und sie finden sich in vielen anderen Bereichen der Entwicklungszusammenarbeit wieder. Anti-retrovirale Medikamente kosten - ebenso wie Maßnahmen zur Vorbeugung von Hungerkrisen - Geld. Und es braucht den politischen Willen. Beides ist sowohl bei den gebenden Industriestaaten als auch bei den umsetzenden Entwicklungsländern nicht immer vorhanden.

So endete der Aids-Gipfel der UNO im Juni zwar mit dem Versprechen, bis 2015 allen 15 Millionen Aids-Kranken in der Dritten Welt den Zugang zu einer Therapie zu ermöglichen. Konkrete Finanzierungszusagen machte dabei allerdings niemand. Auch die großen Aidshilfe-Programme kämpfen schon seit geraumer Zeit mit der Ausdünnung ihrer Mittel. Dabei sind die Kosten für die Bekämpfung der Seuche im Vergleich zu anderen globalen Problemfeldern gering. Zusätzlich 4,5 Milliarden Euro pro Jahr müssten aufgewendet werden, damit auch die verbleibenden 7,5 Millionen HIV-Infizierten Medikamente bekommen. Allein die zwei Tage vor dem heutigen Welt-Aids-Tag abgesegnete sechste Tranche des ersten Griechenland-Hilfspakets beträgt 8 Milliarden Euro.

Was passiert, wenn man das Problem sowohl finanziell als auch in der gesellschaftlichen Wahrnehmung unter den Teppich kehrt, zeigen die Beispiele Russland und Ukraine. Zwischen 2001 und 2010 stieg die Zahl der Infizierten um fast 250 Prozent auf 1,4 Millionen an. Für die Betroffenen, die sich vorwiegend über schmutziges Drogenbesteck angesteckt haben, gibt es keine Medikamente und keine Hilfe. Und da es auch an Aufklärung fehlt, breitet sich Aids weiter rasant aus.