Die Eurozone sollte sich auf eine zweite Arbeitslosenwelle ab Ende 2021 gefasst machen.
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Das Thema Inflation dominiert die Marktdiskussionen. Ungeachtet dessen, dass Inflation und Inflationsangst in der Debatte um die Richtung der langfristigen Zinsen wichtig sind, verdient der Faktor Arbeit als nachlaufender Wirtschaftsindikator mehr Aufmerksamkeit. Die Arbeitsmärkte auf der ganzen Welt sind tief erschüttert. Die Corona-Pandemie könnte größere und strukturellere Probleme auf dem Arbeitsmarkt aufgedeckt haben, als die meisten denken. Die Genesung der Arbeitsmärkte wird die Reaktionsfunktion der Zentralbanken bei der Festlegung der Leitzinsen, der Finanzierungsbedingungen für Banken und der Dauer und Intensität der Ankäufe von Vermögenswerten beeinflussen.
Zwar konnte der Anstieg der Arbeitslosigkeit durch Programme zur Arbeitsplatzerhaltung, wie etwa Kurzarbeit, gedämpft werden. Solche Maßnahmen helfen, die Arbeitslosigkeit kurzfristig stabil zu halten, den Liquiditätsbedarf der Unternehmen zu reduzieren und ihre Aktivitäten nach Aufhebung der Lockdowns schnell wieder aufzunehmen. Sie erfordern aber eine intelligente Ausgestaltung, die unerwünschte Effekte begrenzt. Hierzu zählen Mitnahmeverluste, wie die Subventionierung von nicht gefährdeten Jobs, sowie Verdrängungseffekte in Form der Subventionierung unrentabler Arbeitsplätze. Diese können die langfristige Effizienz von Volkswirtschaften verringern, wenn sie zu lange angewendet werden, da sie notwendige wirtschaftliche Umstrukturierungen blockieren.
Auch die EZB betont, die offiziellen Arbeitsmarktstatistiken mit Vorsicht zu interpretieren. Maßnahmen zur Arbeitsplatzerhaltung helfen zwar, einen stärkeren Rückgang der Beschäftigung einzudämmen. Es bleibt jedoch unklar, wie viele dieser Arbeitnehmer erfolgreich zu ihrer normalen Arbeitszeit zurückkehren werden und wie viele möglicherweise Gefahr laufen, ihren Job doch noch zu verlieren. Der starke Rückgang der Erwerbsbeteiligung deutet darauf hin, dass die Flaute auf dem Arbeitsmarkt wesentlich größer ist, als es von der Arbeitslosenquote erfasst wird. Die Krise wird wahrscheinlich zu einem erhöhten Bedarf an Reallokation von Arbeitskräften führen, und dieser ist voraussichtlich umso größer, je länger die Corona-Pandemie andauert.
Effektiv könnte eine höhere strukturelle Arbeitslosigkeit zu einem Albtraum werden, da ein größeres Missverhältnis zwischen den Qualifikationen und die Streuung der Arbeitslosigkeit über verschiedene Regionen zu einem Anstieg der durchschnittlichen Dauer der Arbeitslosigkeit führt. Wenn also die Impfprogramme erfolgreich verlaufen und die Wirtschaft der Eurozone im dritten Quartal 2021 in der Breite wiedereröffnet, könnte die Arbeitslosenquote deutlich ansteigen, da die Unterstützung des Arbeitsmarktes durch die nationalen Regierungen und die EU nachlässt. Die Eurozone sollte sich auf eine zweite Arbeitslosenwelle Ende 2021 und im Laufe des Jahres 2022 gefasst machen. Das Regime der geld- und fiskalpolitischen Zusammenarbeit sollte die Genesung des Arbeitsmarktes zu einer seiner obersten Prioritäten machen. Dafür wird es Zeit brauchen - viel Zeit.