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Geld und Grenzen

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Für alle, die Bargeld als Teil ihrer Freiheit sehen, gibt es schon wieder recht schlechte Nachrichten aus Brüssel.


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Es ist gerade einmal ein halbes Jahr her, dass EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit der etwas flapsigen, aber durchaus richtigen Bemerkung "Europa ist nicht für alles zuständig" - gemeint war die EU - so etwas wie Selbstkritik betrieb. Und gleichzeitig gelobte, die EU werde sich künftig nur noch um die wirklich wichtigen, großen Probleme kümmern, statt die Bürger dauernd mit bürokratischem Kleinkram zu behelligen. Auch Kanzler Sebastian Kurz formulierte dies so in seiner ersten Regierungserklärung. Zwar wurde in Brüssel noch vor Weihnachten eine eigene Taskforce gegründet, um Junckers Erklärung mit Leben zu füllen - doch im wirklichen Leben fährt die EU weiter fort, genau das zu tun, was Juncker kritisierte: unverdrossen bürokratische Schikanen zu gebären, die ihre Bürger verdrießen.

Zu beobachten war das erst jüngst wieder in einem Ausschuss des EU-Parlaments, der einen Verordnungsvorschlag mit dem hübschen Titel "Bürgerliche Freiheiten" verabschiedet hat. Leider bringt diese Verordnung, sollte sie endgültig Rechtskraft erlangen, nicht mehr bürgerliche Freiheit für die EU-Bürger, sondern ganz im Gegenteil eine Beschneidung derselben. Konkret ist geplant, beim Überschreiten einer EU-Außengrenze eine Meldepflicht nicht nur für Bargeldbeträge über 10.000 Euro (wie bisher schon) zu verhängen, sondern auch alle Wertgegenstände wie Schmuck oder Uhren miteinzurechnen. Damit müsste nicht nur jeder Reisende mit einer etwas teureren Uhr oder wertvollem Schmuck auch kleinere Geldbeträge dem Zoll melden, wenn in Summe ein Wert von 10.000 Euro erreicht wird - die Grenzer sollen auch nicht Angemeldetes konfiszieren dürfen.

Vor allem aber - und das erscheint nun wirklich außerordentlich problematisch - sollen sie auch kleinere Geldbeträge beschlagnahmen dürfen, wenn sie den Verdacht hegen, diese könnten etwa nicht ordnungsgemäß versteuert worden sein. Wo da die Bagatellgrenze liegen wird, ist noch nicht festgelegt, die Rede ist von 1000 Euro, von denen aufwärts schon im Verdachtsfall beschlagnahmt werden dürfte. "Der Raum für Willkür ist groß", urteilt der deutsche Finanzexperte Norbert Häring, der den Plan aufgedeckt hat. "Wo man bisher aus Gründen rechtsstaatlicher Zurückhaltung und Grundrechtsschutz nichts tun konnte, bevor es genug Verdachtsmomente gab, damit eine Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren genehmigte, kann man nun jeden, der Barmittel mitführt, durch deren Konfiskation in eine hochnotpeinliche Befragung und ein Verfahren zwingen, bei dem er intensiv ausgeforscht werden kann, um zu klären, ob das Geld wieder freigegeben werden soll. Allein durch die Nutzung von Barmitteln verwirkt man teilweise den Anspruch auf die Unschuldsvermutung und ein normales rechtsstaatliches Vorgehen."

Ob damit der Terror besser bekämpft werden kann, wie die EU-Kommission behauptet, ist fraglich. Zu vermuten ist, dass es sich hier wieder einmal um einen Teil einer größeren Strategie handelt, den Bürgern das Bargeld erst einmal gründlich zu vermiesen, um es dann leichter abschaffen zu können. Junckers Versprechen, Europa sei "nicht für alles zuständig", wirkt in diesem Licht nicht wirklich ernst gemeint.