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Geld verschwenden durch Pendeln

Von Waldemar Hummer

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Waldemar Hummer ist Universitätsprofessor für Europa- und Völkerrecht an der Universität Innsbruck. Foto: privat

Die von Insidern des öfteren aufgedeckten Verschwendungen von Geldern des Europäischen Parlaments sind Peanuts verglichen zu dessen Umzugskosten. | Aus politischen Gründen konnten sich die Gründungsväter der Europäischen Gemeinschaften nicht auf die definitiven Sitze der einzelnen Organe einigen, sondern überließen die Regelung dieser Frage einem einvernehmlichen Vorgehen ihrer Regierungen.


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Zunächst begnügte man sich mit der bloßen Festlegung vorläufiger Arbeitsorte für die einzelnen Organe. Hinsichtlich der Versammlung der 1951 gegründeten Montanunion (EGKS), die der Vorläufer des Europäischen Parlaments war, wurde dafür Luxemburg in Aussicht genommen. Da aber dort für die Abgeordneten keine geeigneten Räumlichkeiten zur Verfügung standen, übersiedelte man nach Straßburg, um dort in den Räumlichkeiten der Parlamentarischen Versammlung des Europarates zu tagen. Daher fanden ab 1952 alle Plenarsitzungen der Versammlung der EGKS in Straßburg statt.

Vorläufige Arbeitsorte

Mit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen Atomgemeinschaft (EAG) 1957 wurde ein Teil der parlamentarischen Tätigkeiten der nunmehrigen gemeinsamen Versammlung der Gemeinschaften, die sich in der Folge in Europäisches Parlament (EP) umbenannte, nach Brüssel verlagert, während das Sekretariat des EP in Luxemburg verblieb.

Die drei vorläufigen Arbeitsorte des EP, nämlich Straßburg, Brüssel und Luxemburg, mehr oder weniger offiziell zur Kenntnis genommen, wenngleich der Streit zwischen Frankreich und Belgien über den formellen Sitz des EP anhielt. Erst auf dem Europäischen Rat in Edinburgh Ende 1992 konnten sich die Regierungen der Mitgliedstaaten formell auf den Sitz des EP einigen.

Demgemäß akzeptierte Belgien, dass Straßburg offiziell Sitz des EP würde und dass dort die Plenarsitzungen stattfänden, sofern nur andere Aktivitäten zum Beispiel Ausschuss- und Fraktionssitzungen nach Brüssel verlegt würden.

Auf Drängen des französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf ihrer Tagung in Amsterdam am 17. Juni 1997 auf das "Protokoll über die Festlegung der Sitze der Organe der EU" zum Vertrag von Amsterdam. Dieses legte folgendes fest: "Das EP hat seinen Sitz in Straßburg; dort finden die 12 monatlichen Plenartagungen einschließlich der Haushaltstagung statt. Zusätzliche Plenartagungen finden in Brüssel statt. Die Ausschüsse des EP treten in Brüssel zusammen. Das Generalsekretariat des EP und dessen Dienststellen verbleiben in Luxemburg."

Damit war Straßburg als Sitz des EP fixiert und für Frankreich die Gefahr abgewendet, dass das EP in die Räumlichkeiten des neuen Parlamentsgebäudes in Brüssel übersiedeln könnte.

Mit Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages im Mai 1999 ist damit der bisher bereits jahrelang praktizierte "Wanderzirkus" des EP primärrechtlich fixiert und nicht mehr abänderbar.

Umzugskosten

Das monatliche Pendeln der Abgeordneten sowie des Stabes des EP von Brüssel nach Straßburg und vice versa - unter Mitnahme der Beamten und Unterlagen aus dem Sekretariat in Luxemburg - umfasst neben den derzeit 785 Abgeordneten 4000 Beamte, Assistenten und Beobachter und kostet pro Jahr rund 210 Millionen Euro. Seit 1999 wurden damit 1,7 Milliarden Euro an völlig unproduktiven Reisespesen und Verwaltungskosten aufgewendet.

Dazu kommt noch ein Mietskandal in Straßburg, wo dem EP von der Stadt jahrelang ein viel zu hoher Zins verrechnet wurde. Der Schaden betrug mehr als 100 Millionen Euro.

Auch der Verkauf anderer Gebäude an das EP durch die Straßburger Stadtverwaltung erfolgte zu erhöhten Preisen. Somit belasten nationale Begehrlichkeiten den Haushalt des EP.