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Viele fürchten nun um ihre Existenz und wollen ihr Geld vor Gläubigern in Sicherheit bringen - zum Beispiel, indem sie eine Liegenschaft einem Familienangehörigen übertragen.
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Trotz Wirtschaftskrise ist im Vorjahr infolge der staatlichen Corona-Unterstützungen sowie der Fristverlängerung von Finanzamtsschulden die Anzahl der Insolvenzen stark gesunken. Dazu trug auch die Möglichkeit der verlängerten Frist für die Antragstellung der Insolvenzeröffnung gemäß § 69 Abs 2 a IO bei. Diese Möglichkeit wurde für den Fall eingeräumt, dass die wirtschaftliche Krisensituation im Zusammenhang mit der Covid-19-Krise steht und eine realistische Chance der Beseitigung des Insolvenzeröffnungsgrundes innerhalb der verlängerten Frist gegeben ist. Für heuer wird jedoch spätestens ab dem zweiten Halbjahr eine Insolvenzwelle, dies sowohl bei Unternehmen als auch bei Privaten, erwartet. Von vielen Unternehmern ist bereits zu hören, dass ihre unternehmerische Zukunft ungewiss ist und sie nicht wissen ob sie nach dem Lockdown wieder und wenn ja, für wie lange aufsperren werden.
Viele treibt die Sorge um ihre finanzielle Absicherung um. Manche meinen die Lösung ihres Problems darin zu finden, zum Beispiel eine Liegenschaft einem Familienangehörigen zu übertragen. Und zwar deshalb, um sie so dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen.
Zahlungsstockung versus Zahlungsunfähigkeit
In der Praxis ist man daher derzeit als Rechtsanwalt öfters mit der Thematik der Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen konfrontiert, die im Stadium der Zahlungsunfähigkeit vorgenommen wurden. Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner mangels bereiter Zahlungsmittel nicht mehr in der Lage ist, seine fälligen Verbindlichkeiten zu bezahlen und die erforderlichen Zahlungsmittel voraussichtlich auch nicht alsbald beschaffen kann. Davon zu unterscheiden ist die Zahlungsstockung, das heißt, ein bloß vorübergehender Mangel an Zahlungsmitteln, welche noch keinen Insolvenzeröffnungsgrund verwirklicht.
Zur Abgrenzung der bloßen Zahlungsstockung von der Zahlungsunfähigkeit dienen folgende Kriterien:
1. Betragen die fälligen, nicht bezahlten Verbindlichkeiten nicht mehr als fünf Prozent der insgesamt fälligen Verbindlichkeiten (Deckungslücke weniger/ gleich fünf Prozent), ist von einer alsbald behebbaren Zahlungsstockung auszugehen.
2. Kann der Schuldner hingegen mehr als fünf Prozent aller fälligen Verbindlichkeiten nicht begleichen, ist vom Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit iSd § 66 IO auszugehen.
Dass dennoch bloß eine Zahlungsstockung vorliegt, kann bewiesen werden, wenn ein Zahlungsplan (Liquiditätsplan) mit detaillierten Angaben vorliegt, aus dem sich (mit hoher Wahrscheinlichkeit) ergibt, dass die vollständige Bezahlung aller fälligen Verbindlichkeiten in drei Wochen bis maximal drei Monaten möglich sein wird.
Die Zahlungsunfähigkeit wird rein stichtagbezogen ermittelt und stellt sohin nur eine Momentaufnahme dar. Für die Erstellung einer positiven Fortbestehensprognose ist es aber erforderlich, dass die Zahlungsfähigkeit für einen längeren Betrachtungszeitraum bejaht werden kann.
Wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass das Eigenkapital im Verlauf des letzten Wirtschaftsjahres aufgebraucht worden ist, befindet sich das Unternehmen im sogenannten "Statu cridae" und ist das Unternehmen zu einer laufenden Überprüfung der Verschuldung verpflichtet. Dies nicht erst beim nächsten Jahresabschluss. Die kreditgewährende Bank wird diesfalls eine positive Fortbestehungsprognose einzufordern haben.
Konkrete, realistische Sanierungsmaßnahmen
Bei der Fortbestehungsprognose sind sowohl konkrete, realistische Sanierungs- und Finanzierungsmaßnahmen als auch staatliche Maßnahmen zur Liquiditätsbeschaffung/ Sicherung der Zahlungsfähigkeit in die Fortbestehungsprognose einzubeziehen.
Für die Anfechtbarkeit in Benachteiligungsabsicht erfolgte Rechtshandlungen ist "dolus eventualis" ausreichend. Es genügt also, wenn der Schuldner die Benachteiligung der Gläubiger ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden hat, mag die Gläubigerbenachteiligung auch nicht der einzige Grund gewesen sein. Anfechtbar sind alle Rechtshandlungen, die der Schuldner in der dem anderen Teil bekannten Benachteiligungsabsicht vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen hat. Dies je nach Tatbestand in der Sechs-Monats- (§ 31 IO) bis hin zu Zehn-Jahresfrist (§ 28 IO).
Eine Benachteiligung des Gläubigers liegt dann vor, wenn ohne das geschlossene Rechtsgeschäft bzw. durch dessen Rückgängigmachung für den Gläubiger eine bessere Lage geschaffen wäre. Der Eintritt einer Krise bedeutet nicht zwingend, dass der Schuldner Handlungen in Benachteiligungsabsicht vornimmt.
Beweisumkehr bei nahen Angehörigen
Wird die Rechtshandlung gegenüber nahen Angehörigen ("familia suspecta") vorgenommen, so kommt es zur Beweislastumkehr. Den nahen Angehörigen als Anfechtungsgegner trifft die Beweisführung der Nichtbenachteiligungsabsicht und des Nicht-kennen-Müssens derselben. Wobei der Beweis des Nichtvorliegens der Benachteiligungsabsicht nicht zu 100 Prozent geführt werden muss. Es reicht eine hohe, nicht aber eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit zum Thema des Nichtvorliegens einer Benachteiligungsabsicht. Für das Nichtvorliegen einer Benachteiligungsabsicht wird etwa die Auftragslage oder die Inaussichtstellung der Kreditverlängerung durch die Bank ins Kalkül zu ziehen sein. Abgestellt wird auf den Stand der Informationslage im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung.
Gesellschafter einer GmbH bzw. ehemalige Gesellschafter, die innerhalb eines Jahres vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausschieden, gelten ebenfalls anfechtungsrechtlich als " nahe Angehörige."
Voraussetzung für die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung ist die Befriedungstauglichkeit. Diese ist bei einem Pfandrecht zum Beispiel dann nicht gegeben, wenn die Liegenschaft bereits mit Pfandrechten ausgeschöpft ist. Auch die Erfüllung einer richtigen und fälligen Verbindlichkeit kann eine anfechtbare Rechtshandlung darstellen. So erkannte der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung zu 3 Ob 92/16z auf Anfechtbarkeit der nach Fälligkeit durch die Schuldnerin an die Gebietskrankenkasse bezahlten Sozialversicherungsbeträgen. Dies, da auch Medienberichte, welche es in dem gegenständlichen Fall gab, einen Insolvenzindikator darstellen können und sohin die Gebietskörperschaft aufgrund der in Folge der Medienberichterstattung gebotenen Verpflichtung zur Nachforschung die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hätte erkennen können.
Entscheidung des Obersten Gerichtshofes
Der Oberste Gerichtshof beschäftige sich jüngst auch mit dem Thema eines vertraglich vereinbarten Aufgriffsrecht für den Fall einer Insolvenz: Er stellte in seiner Entscheidung zu 6 Ob 64/20k klar, dass im Gesellschaftsvertrag einer GmbH zwar Aufgriffsrechte auch für den Fall der Insolvenz vereinbart werden können und für den Fall der Insolvenz eine Beschränkung des Abfindungsbetrages auf einen Betrag, der unter dem Verkehrswert liegt, möglich ist. Aber nur, solange es zu keiner Ungleichbehandlung der Gläubiger im Vergleich zu anderen Aufgriffsfällen kommt und die Abfindungsbeschränkung nicht nur im Fall der Exekution oder Insolvenz greift, sondern allgemein für jede Konstellation des freiwilligen und unfreiwilligen Ausscheidens aus der Gesellschaft vorgesehen ist.
Von der Anfechtung ausgeschlossen sind nach dem 4. Covid-19-Gesetz in dem Zeitraum vom 1. März 2020 bis 30. Juni 2020 gewährte Überbrückungskredite in der Höhe einer vom Kreditnehmer beantragten Covid-19-Kurzarbeitshilfe und dessen sofortige Rückzahlung nach Erhalt der Kurzarbeitshilfe an den Kreditgeber. Dies, sofern für den entsprechenden Kredit weder ein Pfand noch eine vergleichbare Sicherheit aus dem Vermögen des Kreditnehmers bestellt wurden und dem Kreditgeber bei Kreditgewährung die Zahlungsunfähigkeit des Kreditnehmers nicht bekannt war. Vor allem jetzt gilt es, bei einem Vertragspartner genau hinzuschauen, und sich, insbesondere, wenn es um größere Auftragsvolumina geht, sich von der Bonität desselben zu überzeugen. Zur Absicherung des Ausfallsrisiko kann es geboten sein, Sicherheiten wie eine Bankgarantie einzufordern.