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Geld, Zinssätze und Wechselkurse im Zusammenspiel

Von Erich Streissler

Wirtschaft

Hohe Instabilität der Wechselkurse. | Klassische Erklärungen enttäuschen häufig. | Wien. Zinssätze und Wechselkurse sind sehr ähnliche Erscheinungen: Während ein Wechselkurs der Preis einer Einheit einer Währung, ausgedrückt in Einheiten einer anderen Währung zum gleichen Zeitpunkt ist, ist ein Zinssatz der prozentuelle Aufschlag, wenn man in der gleichen Währung zu einem späteren Zeitpunkt zu zahlen hat.


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Die Geldverwendung, welche Zinssätze und Wechselkurse bedingt, kann entweder eine solche für laufende Geschäfte, also zur Begleichung der Rechnungen für Exporte und Importe im internationalen Handel sein. Oder Geld dient als Wertaufbewahrungsmittel, bei internationalen Transaktionen also zur Kapitalveranlagung im Ausland. Zwischen entwickelten Volkswirtschaften machen diese Kapitalveranlagungen den ganz überwiegenden Teil aller Transaktionen aus, werden aber von Politikern typischerweise, und besonders solchen der USA heute, nicht verstanden: Denn um viel exportieren zu können, muss die eigene Währung billig sein, also einen geringen, abgewerteten Wechselkurs aufweisen. Kapital wird man andererseits vor allem dann in einer Währung anlegen wollen, wenn man sieht, dass diese Währung laufend an Wert gewinnt, umgekehrt also aufwertet.

Die bis 1914 dominante Goldwährung geht auf eine Kursfestsetzung zwischen Gold und Silber durch den englischen Münzwardein, dem berühmten Naturwissenschaftler Isaac Newton zurück, der in der zweiten Hälfte seines Lebens auch ein bedeutender Ökonom war. Die Goldwährung erzeugt stabile Währungserwartungen, weil die Währungskurse langfristig durch das relative Gewicht der umlaufenden Goldmünzen bestimmt sind. Eine solche stabile Wechselkursentwicklung erwartete der wirtschaftspolitisch einflussreiche Nobelpreisträger Milton Friedman auch nach Einführung frei am Markt sich bildender Wechselkurse bei ihrer Freigabe 1973. Leider irrte er jedoch völlig und wir leben seither - im Gegensatz zum 19. Jahrhundert - in hoher Kurswertinstabilität der Wechselkurse.

Die Kaufkraftparitätstheorie

Wechselkurse lassen sich erklären als so bestimmt, dass sich die Kaufkraft der Währungen zwischen Währungsgebieten angleicht. Empirisch erfolgreicher ist die Veränderungsversion dieser so genannten Kaufkraftparitätstheorie. Wechselkursänderungen werden den Unterschieden der Inflationsraten zwischen den Währungsgebieten entsprechen. Die Währung mit höherer Inflation wertet ab. Eine zweite Erklärung, die so genannte Zinsparitätstheorie, versucht vor allem die Kapitalsträume zu erklären. Denkt man diese Theorie weiter, so kommt man zu dem Schluss, dass das Land mit den höheren Zinssätzen - oder allgemeiner, mit den höheren Ertragssätzen auf Kapital, z. B. höheren Aktienerträgen - wechselkursmäßig aufwerten wird. Obwohl diese klassischen Theorien manchmal zutreffen, so enttäuschen sie noch häufiger. Daher wurde eine dritte Erklärung dominant, die des zufälligen Irrweges ohne Drift der Wechselkurse. Nach dieser Theorie ist der beste Prognosewert für den morgigen Wechselkurs der heutige, weil nämlich die Wechselkurse mit gleicher Wahrscheinlichkeit und im gleichen Ausmaß im Wert hinauf oder hinunter gehen können. Über die lange Frist ist diese Erklärung für alle Wechselkurse relativ zum US-Dollar nicht widerlegbar, weil nämlich im Dollar die meisten internationalen Kapitaltransaktionen notieren. Denkt man diese Theorien weiter, so erkennt man, dass sie gar nicht so widersprüchlich sind, wie sie auf den ersten Blick erscheinen, sondern sich für die lange Frist wechselweise ineinander überführen lassen.

Höchst unterschiedliche Anlegerinteressen

Die Komplexität der Erklärungen geht andererseits vor allem darauf zurück, dass höchst unterschiedliche Anlegerinteressen die Wechselkurse beeinflussen und vor allem auch die Notenbanken auf den von ihnen freilich langfristig nicht dominierbaren Wechselkursmärkten sehr spezielle Sonderinteressen wahrzunehmen versuchen, z.B. gegenwärtig in Ostasien die der Exportförderung durch Hochhaltung des Dollarkurses. Ein erhebliches Wechselkursproblem stellen heute vor allem die Leistungsbilanzdefizite der USA dar. Doch ist selbst hier eine Wechselkursprognose schwierig. Denn nach einem mathematischen Theorem kann, selbst wenn eine Abwertung mit Sicherheit angenommen werden muss, diese im Grenzfall unendlich lang auf sich warten lassen.

Erich W. Streissler ist Professor der Volkswirtschaftslehre, Ökonometrie und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Wien.

Der Text ist die Kurzfassung eines Vortrags in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) im Rahmen der neu gestarteten Vorlesungsreihe "Böhm-Bawerk-Lectures". Der nächste Vortrag findet am 30. November statt. Alfred Wagenhofer von der Universität Graz wird über die Rolle von Informationen aus ökonomischer Sicht sprechen.