Frau Anneliese Lenz aus Tirol gebührt Dank und Anerkennung. Die Dankadresse erhält sie freilich nicht von der Tiroler Finanzbehörde, schon gar nicht vom Fiskus als solchem, wohl aber von jenen heimischen Sparern und Kapitalanlegern, die ihre Sparguthaben und Wertpapierbestände lieber im Ausland veranlagen als zu Magerrenditen im Inland. Diese Leute dürfen ab sofort einer erfreulichen Steuervergütung für die Vorjahre entgegensehen.
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Die Vorgeschichte in zwei Sätzen: Wenn heimische Geld- und Wertpapiersparer ihre Kapitalerträge (Zinsen, Dividenden, Investmentfondserträge) in Österreich verdienen, werden sie mit der 25%-KESt belegt oder können, wenn selbst diese 25% zu hoch wären, per Einkommensteuererklärung eine Besteuerung zum halben individuellen Steuertarifsatz beantragen. Für Kapitalerträge, die in einem anderen Staat verdient wurden, also für ausländische Renditen, galt diese Wohltat lange Zeit nicht, sie wurden der Steuer zum Volltarif unterworfen, ohne Ermäßigung.
EuGH-Verdikt
Diese Ungleichheit, selbst gegenüber Veranlagungen in einem EU-Mitgliedsstaat war Frau Lenz zuwider und sie beschritt den dornigen Weg durch die Instanzen und Höchstgerichte. Im Jahr 2002 landete sie in Luxemburg und fand beim Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes ein offenes Ohr. Der EuGH verurteilte - dem Antrag des Generals folgend - die "Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Besteuerung von ausländischen Kapitalerträgen in Österreich".
Das Verdikt aus Luxemburg kam für die heimische Finanz nicht überraschend. Schon 2003 hatte sie in weiser Voraussicht des Kommenden die Rechtslage geändert und die steuerliche Benachteiligung ausländischer Kapitalerträge beseitigt, freilich erst für Ertragszuflüsse ab 1. April 2003. Was praktisch bedeutet, dass die neue EuGH-Rechtsansage eigentlich nur mehr für Zuflüsse aus der Zeit vor dem 1. 4. 2003 praktische Bedeutung haben kann. Immerhin.
In einer ersten Aussendung vom 30. Juli diesen Jahres verkündete das Ministerium den EuGH-Ratschluss (vom 15. 7. 2004) und eröffnete die Möglichkeit zur Sanierung der Vorjahre. In einem weiteren Erlass vom 30. 9. wurden organisatorische Vorgaben festgelegt. Es geht darum, die Auslandserträge in den Einkommensteuerformularen jeweils in die richtigen Zeilen, Kolumnen und Kodekasterln einzusetzen, um dem Finanzcomputer die Möglichkeit zu geben, die vom Steuerpflichtigen gewünschte Besteuerungsvariante abzuwickeln.
Dabei sind zwei Varianten zu unterscheiden, nach denen die Entsteuerung der ausländischen Kapitalerträge früherer Jahre möglich sein kann: die Endbesteuerungsvariante (EV) und die Tarifbesteuerungsvariante (TV).
Die im Einzelfall optimalste Variante auszuwählen (und zu beantragen) bleibt dabei allein dem Steuerzahler überlassen; die Finanz bietet ihm dazu keinen automatischen Günstigkeitsvergleich.
Variantenoption
Bei der EV-Option werden sämtliche ausländische (Kapital-) Einkünfte isoliert mit 25% besteuert. In diesem Fall gibt es natürlich keine Veranlagungsoption hinsichtlich inländischer endbesteuerungsfähiger Kapitaleinkünfte. Die ausländischen Kapitalerträge sind in einer Summe (einschließlich Substanzgewinnen aus ausländischen Investmentfonds) in der Steuererklärung anzuführen.
Bei der TV-Option werden sämtliche in- und ausländischen (Kapital-)Einkünfte mit dem (individuell niedrigeren) Steuersatz (für Zinsen) bzw. mit dem Halbsatz (für Dividenden) tarifbesteuert. Deshalb müssen die ausländischen Kapitaleinkünfte nach Vollsatzeinkünften (Zinsen) und Halbsatzeinkünften (Dividenden) getrennt ausgewiesen werden. Gleichzeitig müssen aber auch die inländischen Kapitaleinkünfte getrennt dargestellt werden.
Eines darf dabei nicht unberücksichtigt bleiben: Bei jenen Kapitalerträgen, die der 25%-Besteuerung unterliegen, muss der Abzug von Werbungskosten unterbleiben.
Um diese etwas kompliziert anmutende Darstellungsweise zu erleichtern, sind in den genannten beiden Erlässen eine "Gebrauchsinformation" sowie genaue Kodezahlen angeführt, nach denen die Darstellung in den geänderten Einkommensteuerformularen erfolgen soll.
Korrektur auf Antrag
Das Wahlrecht auf Durchführung der steuerlichen Entlastung der Auslandserträge ist unabhängig davon, in welcher Weise die inländischen Kapitalerträge bisher besteuert wurden. Man könnte also hinsichtlich der Inlandserträge bei der bisherigen Variante bleiben und für die Auslandserträge die andere Variante wählen.
Die neue Rechtslage ist ab sofort in allen noch offenen Steuerverfahren zu berücksichtigen. Sie kann aber auch auf bereits rechtskräftig abgeschlossene Verfahren angewendet werden; dazu muss innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist ein Wiederaufnahmeantrag mit gleichzeitiger Vorlage entsprechend geänderter Steuererklärungen gestellt werden.