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Gelddrucken kommt selbst bei der US-Notenbank wieder aus der Mode

Von Hermann Sileitsch

Analysen

Die US-Notenbank macht einen ersten, riskanten Schritt in Richtung Normalität: Ben Bernanke, Chef der Federal Reserve, kündigte an, den Ankauf von US-Staatsanleihen Ende Juni auslaufen zu lassen. Das aktuelle (bereits zweite) Programm umfasst 600 Milliarden Dollar. In Summe hat Bernanke mehr als 2000 Milliarden Dollar für das sogenannte "Quantitative Easing" lockergemacht. | Das Ziel war, damit die langfristigen Zinsen für US-Staatsschuldpapiere zu drücken. Das hilft dem Staatshaushalt und soll ein positives Umfeld für Investitionen schaffen. Die Fed will dadurch die Konjunktur stützen und die hohe Arbeitslosigkeit bekämpfen. Der Effekt ist ähnlich, als hätte die Fed frische Banknoten gedruckt: Die Notenbank führt dem Finanzkreislauf Geld zu, indem sie ihre Bilanz aufbläht.


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Die Maßnahme ist umstritten: Erstens schürt die steigende Geldmenge Inflationserwartungen. Zweitens betreibt die Fed damit quasi ein Ringelspiel: Das Finanzministerium gibt Schuldverschreibungen heraus, die die Notenbank aufkauft - eine nachhaltige Finanzierung des Staatshaushaltes sieht anders aus.

Und drittens gibt es Experten, die bezweifeln, dass die Geldmenge jemals der Realwirtschaft zu Gute gekommen ist: Das Gelddrucken habe lediglich die Börsen beflügelt. Tatsächlich zeigen Analysen, dass die Kurse des S&P500-Aktienindex fast exakt parallel zur Fed-Bilanzsumme anstiegen. Und: Just im Zeitraum zwischen den zwei Ankaufprogrammen stürzte der S&P500 in ein Zwischentief.

Nicht zuletzt könnte der Ausstieg aus dem Programm für die USA unangenehme Folgen haben. Wie groß Bernankes Erklärungsbedarf ist, zeigt, dass der mächtigste Zentralbanker der Welt die geldpolitischen Entscheidungen künftig alle drei Monate in Pressekonferenzen erläutern will: ein Novum in der 97-jährigen Historie der Fed.

Bei der Premiere versicherte Bernanke, der Ausstieg werde keinen maßgeblichen Einfluss auf die Märkte haben. Experten sind sich da nicht so sicher: Für Anleihen-Ankäufe dieser Dimension gibt es keine Erfahrungswerte. Es ist nicht sicher, ob Investoren gewillt sind, für die Fed zu denselben Konditionen in die Bresche zu springen. Nach dem Warnschuss der Ratingagentur Standard & Poors sehen sie genau hin, ob die US-Regierung ihre Polit-Blockade überwindet und die Schuldendynamik in den Griff kriegt. Es könnte sein, dass die USA höhere Zinsen zahlen müssen - was den Schuldenberg noch vergrößern würde.

Und obendrein lässt in dieser heiklen Lage die Konjunktur aus: Im Schlussquartal 2010 betrug das Wachstum starke 3,1 Prozent, im ersten Quartal 2011 nur noch 1,8 Prozent. Grund ist der schwache Konsum, an dessen Stagnation vor allem die hohen Preise für Lebensmittel und Kraftstoffe schuld sind. Ein Dilemma: Die Fed müsste im Kampf gegen die Inflation eigentlich die Zinsen anheben, was aber dem Wachstum schaden würde.