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Geldflut als Wunderwaffe oder Verzweiflungsschritt?

Von Erhard Fürst

Gastkommentare
Erhard Fürst war Leiter der Abteilung Industrie- und Wirtschaftspolitik in der Industriellenvereinigung.

Wenn die Europäische Zentralbank massenhaft Anleihen aufkauft, wird das nicht unbedingt das Wirtschaftswachstum antreiben.


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Nun ist es geschehen: Nach dem jüngsten geringfügigen Rückgang des Verbraucherpreisniveaus, im Wesentlichen dank sinkender Ölpreise, fühlen sich die Untergangspropheten darin bestätigt, dass die Eurozone am Beginn einer langen Deflationsperiode mit stagnierendem Wachstum und steigender Arbeitslosigkeit stehe. Damit konnte die EZB endlich - unter dem Beifall der "Financial Times" - den rettenden Schritt tun und im Rahmen von "Quantitative Easing" mit der Geldflutung der Märkte (mehr als eine Billion Euro) beginnen: Sie kauft in riesigen Mengen Anleihen auf und schreibt deren Gegenwert den Verkäufern - hauptsächlich Banken und anderen Finanzmarktakteuren - in Notenbankgeld gut.

So könne die Eurozone, wird argumentiert, wie die USA auf einen Wachstumspfad einschwenken.

Es ist richtig, dass durch Deflation die reale Zinsenlast der Schuldner steigt. Angesichts niedriger Zinsen und der Geringfügigkeit des Preisrückgangs bleibt dieser Effekt aber begrenzt. Eine unbedachte, die Finanzmärkte verunsichernde Äußerung eines Notenbankers oder eines wichtigen Politikers wirkt negativer. Anders wäre es, wenn sich Deflationserwartungen für eine längere Zeit verfestigten. Aber davon sind wir weit entfernt.

Die Befürchtung, bei sinkenden Preisen könnten Konsumenten Ausgaben massiv aufschieben, scheint übertrieben. Vieles (Mieten, Nahrung) ist nicht aufschiebbar, Technikgüter werden trotz erwarteten Preisverfalls gekauft. Aufschub bis zum nächsten Aktionspreis dürfte eine größere Rolle spielen.

"Quantitative Easing" wird die Zinsen zwar noch etwas drücken, wegen der aktuellen Tiefzinsen kann der Einfluss auf die Kreditnachfrage aber getrost vernachlässigt werden. Und die Banken haben schon bisher genügend Liquidität von der EZB erhalten. Sie werden angesichts ihrer engen Eigenkapitaldecke und der Notwendigkeit, "Deleveraging" zu betreiben, auch die "Quantitative Easing"-Mittel nicht zur Erhöhung ihrer Kreditausleihungen einsetzen. Auch Markus Scheiblecker vom Wifo hat sich in der "Wiener Zeitung" pessimistisch über die Wachstumswirkungen von "Quantitative Easing" geäußert. Und die Banken werden es auch nicht nutzen, um die eigenkapitalfreien Staatsanleihen loszuwerden, sondern sonstige Anleihen mit Risikogehalt für die EZB (und damit für die haftenden Euroländer) verkaufen.

Ein positiver Effekt ist zu erwarten: ein weiterer, die Exporte belebender Verfall des Euro. Das impliziert steigende Importpreise - zur Freude der EZB und der Deflationswarner, aber leider zum Schaden der Kaufkraft. Dem steht die reale Gefahr gegenüber, dass die Schuldnerländer ihre Reformpolitik angesichts der Niedrigzinsengarantie - und des jüngsten griechischen Wahlergebnisses - weiter verwässern.

Das US-Wachstum treibt übrigens nicht "Quantitative Easing". Es resultiert vielmehr aus einer weniger restriktiven Budgetpolitik, die sich die USA mit ihrer begehrten Weltwährung Dollar leisten können (nicht aber die Eurozone), einer erfolgreichen Bankensanierung, wesentlich günstigeren Energiepreisen und einer strukturellen Stärke bei den wahren Wachstumstreibern: Innovation, Brain Gain, Unternehmensfinanzierung und Unternehmertum ganz allgemein.