Zum Hauptinhalt springen

Geldgeber für Kernkraftwerk gesucht

Von WZ-Korrespondent Denis Meraru

Wirtschaft

Bau des Atomkraftwerks Belene in Frage gestellt. | Rückschlag für Kernkraftfreunde. | Finanzexperten warnen vor der riskanten Investition. | Bukarest. Bulgarien will zu einem führenden Stromanbieter in Südosteuropa werden. Doch sein bestehendes Kernkraftwerk Kosloduj muss es auf Druck der EU schließen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Um so größere Hoffnungen setzt die Regierung in Sofia auf das Kernkraftwerk Belene, das nahe der rumänischen Grenze errichtet werden soll. Im Frühjahr 2005 beschloss sie offiziell, den Bau des Kraftwerks wiederaufzunehmen. Der erste der geplanten zwei Reaktorblöcke soll bereits 2010 ans Netz gehen. Der Bau soll 3 Mrd. Euro kosten. Belene sei die einzige Alternative zu Kosloduj, erklärte Präsident Georgi Parwanow kürzlich. Um den Bau bemühen sich zwei Konsortien, beide mit russischen Partnern und teilweise mit deutschem Geld. Die staatliche russische Atomstrojexport hofft dabei, über ihren Partner Siemens Kredite der deutschen Unicredit-Tochter Hypovereinsbank und der Deutschen Bank zu bekommen. Auch die tschechisch-russische Skoda-Allianz wollte Mittel der italienischen Unicredit in Anspruch nehmen. Die bulgarische Regierung wollte diese Woche bekannt geben, welcher der beiden Kraftwerkbauer den Zuschlag erhalten würde. Doch daraus wird wohl nichts: Deutsche Bank wie Unicredit haben vergangene Woche mitgeteilt, dass sie sich nicht an der Finanzierung des Kernkraftwerks beteiligen würden. Andere Geldgeber sind nicht in Sicht.

Gebiet durch

Erdbeben gefährdet

Die beiden Banken geben dem Druck von Kernkraftgegnern in ganz Europa nach. Eine Koalition aus Umweltschützern in 23 Ländern drängte die Banken, ihr Engagement in Belene zu überdenken. So kam es Mitte Oktober zu Protestaktionen in Bankfilialen in zahlreichen Ländern. Die Belene-Gegner erinnern daran, dass das geplante Kraftwerk in einer seismisch aktiven Zone liegt. Bei einem Erdbeben kamen 1977 nur 14 Kilometer entfernt 200 Menschen ums Leben. Zudem ist das Vertrauen in die bulgarische Aufsichtsbehörde gering. Im Frühjahr verheimlichte diese während zwei Monaten einen Zwischenfall im Kernkraftwerk Kosloduj. Außerdem ist in Bulgarien wie in vielen andern Ländern auch die Lagerung nuklearen Abfalls nicht geklärt.

Doch nicht nur Umweltschützer zweifeln am Sinn des Kraftwerkbaus. Aus der Sicht des Sofioter Bankanalysten Petko Kowatschew ist Belene eine riskante Investition. Die bulgarische Regierung habe den Preis, den die beiden Konsortien verlangen können, so sehr heruntergehandelt, dass sich der Bau für die Konstrukteure nicht mehr rechne. Die Bauzeit sei mit zwei Jahren zu kurz angesetzt. Auch die Ratingagenturen teilen diese Meinung. Als sich der nationale bulgarische Energieversorger NEC Anfang Oktober beschloss, sich an der Betreibergesellschaft für Belene zu beteiligen, setzte Standard & Poors das Rating auf "negativ" herab.

Greenpeace hofft auf Umdenken in Osteuropa

Es wäre nicht das erste Mal, dass der Bau von Belene scheitert. Bereits 1987, also nur ein Jahr nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl, hatte der Bau von zwei Reaktorblöcken sowjetischer Bauart begonnen. Nach der Wende wurde der Bau nach Bürgerprotesten und aus Geldmangel eingestellt.

Jan Haverkampf, Kernkraftspezialist von Greenpeace, fordert denn auch Bulgarien auf, den Ausstieg der beiden Großbanken als Chance für eine neue Energiepolitik zu nutzen. Allein die Energieverschwendung sei in Bulgarien so groß, dass mit Sparmaßnahmen mehr Energie eingespart werden könnte, als Belene je produzieren würde. Zudem habe das Land ein großes Potenzial an ungenutzter erneuerbarer Energie: Wind- und Sonnenenergie ebenso wie Energie aus Biomasse.

"Wir fordern die bulgarische Regierung auf, endlich ihre Energiepolitik zu ändern." Doch die Hoffnung des Greenpeace-Aktivisten reicht über Bulgarien hinaus. Haverkamp wünscht sich, dass die Deutsche Bank und Unicredit nun auch ihr Engagement bei anderen Kraftwerkvorhaben in Osteuropa überdenken. Doch angesichts der Renaissance der Kernkraft in vielen Ländern Europas könnte sich der Erfolg der Kernkraftgegner bald als ein Pyrrhus-Sieg erweisen.