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Geldgeschenk für den neuen Premier Abe

Von Hermann Sileitsch

Politik

Japans Zentralbank pumpt mehr Geld in die Wirtschaft - mit fraglichem Erfolg.


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Tokio. Inmitten Tokios moderner Bürotürme wirkt das neobarocke Zentralbankgebäude wie ein Fremdkörper aus vergangenen Zeiten. Nach dem Wahlsieg von Premier Shinzo Abe vergangene Woche wurde Masaaki Shirakawa, der Gouverneur der Bank of Japan (BoJ), aber blitzartig in die politische Gegenwart katapultiert: Die konservative Liberaldemokratische Partei (LDP) hatte im Wahlkampf auf eine aggressivere Geldpolitik gedrängt. Mit diesem Versprechen sei der LDP, die das Land seit 1955 mit kurzen Unterbrechungen regiert hat, die Rückkehr an die Macht gelungen: Darauf habe er den Zentralbankchef bei einem Treffen in der LDP-Zentrale ausdrücklich hingewiesen, betonte Abe vor Journalisten. Für ihn ist es die zweite Regierungsperiode: Zwischen 2006 und 2007 hielt er sich nur ein Jahr lang.

Der Druck auf Notenbanker Shirakawa, die Geldschleusen weiter zu öffnen, wird somit immer größer. Bei seiner Bestellung 2008 war Shirakawa nur Drittgereihter gewesen - er war mit dem Versprechen angetreten, eine unabhängige Geldpolitik der BoJ gegen politische Begehrlichkeiten zu verteidigen. Die Oppositionsmehrheit im Senat hatte damals die Erstvorschläge der Regierung abgelehnt.

Nach dem Treffen mit Abe behauptete Shirakawa zwar, Geldpolitik sei gar nicht zur Sprache gekommen. Das Agieren der BoJ deutet aber auf anderes hin: Die Zentralbank kündigte an, die Geld-Druckmaschinen erneut anzuwerfen - zuletzt war das schon im Monatstakt der Fall. Nun werden weitere 10 Billionen Yen (90 Milliarden Euro) in die Wirtschaft gepumpt. In Summe haben die Notenbanker bereits 101 Billionen Yen (905 Milliarden Euro) investiert. Damit nicht genug: Im Jänner 2013 will die Bank of Japan prüfen, ob sie das Inflationsziel von ein auf zwei Prozent hebt - wie vom angehenden Ministerpräsidenten Shinzo Abe gefordert.

Weltmeister bei Schulden

Laut Analysten waren das bisher eher kleinere Zugeständnisse - gemessen an Abes Forderungen. Das könnte sich ändern, wenn die Regierung ihren Wunschkandidaten durchsetzt: Shirakawas Amtszeit endet im April 2013.

Ob die LDP-Politik dieses Mal mehr Erfolg hat als in früheren Regierungsperioden, ist fraglich: Das Land steckt seit 20 Jahren in einer fatalen Spirale aus stagnierender Wirtschaft und fallenden Preisen auf breiter Front (Deflation). Zu schaffen macht den Unternehmen obendrein der hohe Yen-Wechselkurs: Ihre überteuerten Produkte finden dadurch nur schwer Absatzmärkte. Daran dürfte diese zehnte Runde an geldpolitischer Lockerung wenig ändern. Der Yen legte gegenüber dem Dollar zunächst sogar zu, weil Analysten eine noch expansivere Geldpolitik erwartet hatten.

Japans strukturelle Probleme wird die Notenbank allein nicht lösen. Eine sich zart abzeichnende Erholung hatte die Erdbeben, Tsunami- und Atomkatastrophe von März 2011 zunichte gemacht. Traditionskonzerne wie Panasonic oder Sony kämpfen mit hohen Schulden und lahmender Innovationskraft. Und die Hauptabsatzmärkte schwächeln: In China boykottiert die Bevölkerung wegen des Streits um einige Inseln japanische Produkte. Europa importiert wiederum wegen der Schuldenkrise weniger Handelsgüter.

Was in den 20 Jahren expansiver Fiskal- und Geldpolitik konstant gestiegen ist, sind die Schulden: Bis 2014 wird Japans Staatsverschuldung auf 230 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen - ein unangefochtener Weltrekord.