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Geldregen aus Brüssel: Wer profitiert

Von Peter Muzik

Wirtschaft

Großbetriebe kassieren das meiste EU-Fördergeld ab. | Ordensstifte und Adelsgeschlechter auf der Agrarliste. | System soll reformiert werden. | Das Leben scheint nun einmal ungerecht zu sein - etwa wenn es um die Agrarförderung seitens der Europäischen Union geht. Beispiel: Die Vorarlberger Firma Rauch Fruchtsäfte erhielt 2007 bereits 6,8 Millionen Euro aus Brüssel und wurde im Vorjahr erneut, diesmal mit 9,5 Millionen, subventioniert. Ihr direkter Mitbewerber hingegen, Hermann Pfanner Getränke, wurde vor zwei Jahren mit 8942 Euro und 2008 mit 92.833 Euro abgespeist.


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Des Rätsels Lösung: Die Firma Rauch, die neben ihren Fruchtsäften auch den Energy Drink Red Bull abfüllt, verwendet bei der Saftherstellung Rübenzucker, der teurer ist als Zucker am Weltmarkt. Sie erhält daher von der EU eine Differenzzahlung, weil die Produkte großteils in Nicht-EU-Länder, etwa in die USA, exportiert werden.

Das ist nur eine von unzähligen Merkwürdigkeiten an den Brüsseler Subventionen des Agrarbereichs, die aus EU-Mitteln, etwa aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft, finanziert werden.

Ein kleiner Bergbauer wie etwa Anton Achenrainer aus Kappl im Paznauntal, der im Vorjahr lediglich mit 3669 Euro bedacht wurde, wird schwer nachvollziehen können, warum ausgerechnet potente Industriefirmen wie Rauch, die Raiffeisen-Tochter Agrana oder der steirische Viehhändler Jöbstl so stark vom Geldsegen profitieren (siehe Tabelle).

Im Grunde genommen sollten nämlich die Landwirte für ihre vielfältigen Leistungen für die Gesellschaft - etwa die Erhaltung und Pflege der Kultur- und Erholungslandschaft - mit öffentlichen Geldern belohnt werden.

Wer solche Direkt- beziehungsweise Marktordnungszahlungen erhielt, war lange ein großes Geheimnis. Erst seit Mitte vergangenen Jahres ist der immer wieder heftig umstrittene Geldregen aus Brüssel halbwegs transparent: Die EU, die aus ihrem Budget jährlich nicht weniger als 43 Prozent, nämlich 55 Milliarden Euro, für die europäische Landwirtschaft springen lässt, hat durchgesetzt, dass auch das rot-weiß-rote Lebensministerium die heimischen Subventionsempfänger, so wie in allen anderen Ländern üblich, auf der eigens eingerichteten Homepage www.transparenzdatenbank.at auflistet.

Förderung für Blumen und Suppenhennen

Dabei wird deutlich: Während die EU etwa für den im Tiroler Pettnau beheimateten Einzelhandelskaufmann Martin Schwaninger, der seit 19 Jahren Viehexporte durchführt, einen wahren Glücksfall darstellt - 2008 erhielt Schwaninger fast 400.000 Euro Unterstützung -, werden Österreichs kleine Landwirte in der Regel mit Almosen abgefertigt: Von den rund 147.000 heimischen Leistungsempfängern entfielen zuletzt auf 60.000 echte Bauern im Einzelfall bloß maximal 5000 Euro Förderung.

Die 534 Glückspilze hingegen, die unter verschiedenen Etiketten jeweils mehr als 100.000 Euro erhielten, sind überwiegend keine Landwirte im engeren Sinn: So etwa kassierten die acht Ländlichen Fortbildungsinstitute der Landwirtschaftskammern zuletzt in Summe fünf Millionen, wobei das steirische mit 1,5 Millionen Euro den Vogel abschoss.

Auch diverse Landesregierungen sahnten kräftig ab. An der Spitze befindet sich die niederösterreichische mit 1,5 Millionen Euro für den Bereich Naturschutz. Und schließlich erfreute das EU-Füllhorn auch so unterschiedliche Bittsteller wie den Bundesverband Urlaub am Bauernhof in Österreich, die Österreichische Blumenwerbung, diverse Waldpflegevereine oder die Österreichische Suppenhennenverarbeitungs AG.

Besonders großzügig wurde von der EU die heimische Lebensmittelindustrie mit Ausfuhrerstattungen für den Export bestimmter Produkte wie Fleisch, Milch, Mehl oder Zucker sowie von Getränken bedacht: Der Tiefkühl-Spezialist Frisch & Frost aus Hollabrunn beispielsweise durfte sich über 930.000 Euro freuen. Die Fleisch- und Wurstfirmen Radatz (Wien), Norbert Marcher (Kärnten) oder Greisinger (Oberösterreich) wiederum kamen jeweils auf mehr als 700 Tausender, die sie bei der österreichischen Zollverwaltung beantragt hatten.

Die Verteilung erinnert eher an ein Lotto-Spiel

Der Tiroler Marmeladenfirma Darbo wurde das Leben mit 426.000 Euro versüßt, und der Energy Drink Power Horse war der EU zuletzt immerhin 402.000 Euro Wert. Im Vergleich dazu wirkt die Unterstützung für den Bregenzer Multi-Ableger Kraft Foods, der 2007 noch mit 1,3 Millionen bedacht wurde, mit 184.000 Euro geradezu bescheiden.

Bei der Verteilung der EU-Mittel, die bisweilen an ein Lottospiel erinnert, kommen auch adelige Namen nicht zu kurz, die einen Landwirtschaftsbetrieb ihr Eigen nennen. Abgesehen von der Fürst Liechtenstein Stiftung, die 2008 für ihren Guts- und Forstbetrieb in Wilfersdorf im Weinviertel und den dazugehörigen Naturpark Sparbach 1,6 Millionen erhielt, werden zahlreiche Adelige Jahr für Jahr von der EU fürstlich bedacht: Spitzenreiter sind Paul Waldbott-Bassenheim in Halbturn (918.000 Euro) und Maximilian Hardegg aus Seefeld-Kadolz (915.000 Euro).

Franz Albrecht Metternich-Sandor bringt sein Besitz in Grafenegg immerhin eine halbe Million. Andere klingende Namen allerdings, wie Johannes Khevenhüller-Metsch aus Gaweinstal oder Franz Karl Kottulinsky aus Neudau, müssen mit Beihilfen knapp jenseits der 100.000- Euro-Grenze zufrieden sein.

Auch Österreichs Ordensstifte gehen in Brüssel aufgrund ihres landwirtschaftlichen Besitzes zumeist nicht leer aus: Am erfolgreichsten war zuletzt das Stift Heiligenkreuz, das 581.000 Euro erhielt - deutlich mehr als das Erzbistum Wien für seinen Gutsbesitz etwa in Jedenspeigen.

Für das Benediktinerstift Melk oder Stift Altenburg gab es jeweils nur rund eine Viertelmillion. Das Augustiner Chorherrenstift in St. Florian verdankte der Europäischen Union fast 200.000 Euro, die Ordensbrüder aus Melk und Kremsmünster dagegen holten in Brüssel lediglich knapp die Hälfte heraus.

Die Verteilung der Agrarsubventionen ist ebenso schwer nachvollziehbar wie jene der Umweltförderungen für die Landwirtschaft: Diese kommt insgesamt 6100 Städten, Gemeinden, Abwässer- und Reinhaltungsverbänden sowie so differenten Institutionen wie dem ÖAMTC Kärnten, den Kinderfreunden Tirol oder der Asfinag zugute.

Auch die Toni Polster GmbH erhält Fördergeld

Auch hier schnitten Großunternehmen tendenziell am besten ab, darunter die Voestalpine und Schoeller Bleckmann, die 2008 mit 5,6 beziehungsweise 4,3 Millionen Euro gesponsert wurden. Mit weitaus weniger mussten sich da zahlreiche Wassergenossenschaften, umweltbewusste Hoteliers, aber auch clevere Subventionsjäger bescheiden: So etwa wurde die Wiener Toni Polster GmbH für "effiziente Energienutzung" mit 2424 Euro belohnt.

Die Sinnhaftigkeit des derzeitigen Vergabesystems wird nicht nur in Österreich, sondern EU-weit in Frage gestellt: Dass auch begüterte Herrschaften wie die englische Queen Elizabeth II. oder der Salzburger Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz mitschneiden, ist den Kritikern ein Dorn im Auge. Für Unmut sorgt zudem, dass an Nahrungsmittelmultis wie Nestlé oder den italienischen Zuckerkonzern Italia Zuccheri die höchsten - bisweilen geradezu astronomische - Summen ausbezahlt werden.

Die EU-Agrarminister trafen unlängst im tschechischen Brünn zusammen, um die Frage zu diskutieren, wie das Agrarbudget der Union künftig sinnvoller verteilt werden kann. Während Österreichs Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich zu jenen zählt, die den Status Quo erhalten wollen - der Stehsatz lautet: "Die europäische Agrarwirtschaft kann nicht zu Weltmarktpreisen produzieren" -, treten etwa seine Kollegen aus Großbritannien, Holland oder Schweden für massive Kürzungen der Bauernsubventionen ein. Die osteuropäischen Minister dagegen wurmt es, dass ihre Landwirte viel weniger mitnaschen als die Bauern in der alten EU-15.

Allmählich wachsen die Zweifel, ob es denn der Weisheit letzter Schluss sei, profitable, international tätige Industriekonzerne mit Geldgeschenken aus Brüssel zu verwöhnen und zugleich die kleinen EU-Bauern nach dem Gießkannenprinzip mit dürftigen Zuschüssen abzufertigen.

Der Landwirt Karl H. aus Niederösterreich jedenfalls kann dem nur beipflichten: "Das jetzige System ist völlig vertrottelt."

Wissen: EU-Agrarbudget

Österreichs Bauern machen zwar nur zwei Prozent der EU-Landwirte aus, erhalten aber heuer etwa mit 557 Millionen Euro einen überproportionalen Anteil der vorgesehenen Mittel im Rahmen der Kofinanzierung. Noch einmal so viel steuern der Bund und die Länder bei.

Für sogenannte Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile erhalten die Landwirte von EU, Bund und Ländern 276 Millionen Euro.

Agrarische Umweltmaßnahmen werden mit 530 Millionen gefördert, wovon die Union und der Bund 424 Millionen tragen. Die Marktordnungsprämien, die von der EU finanziert werden, machen im laufenden Jahr 794 Millionen Euro aus.

Alles in allem belaufen sich die EU-Mittel im heimischen Agrarbudget 2009 auf 1353 Millionen Euro. Sie werden, wie erwähnt, für Marktordnungsausgaben, Agrarumweltmaßnahmen, Ausgleichszahlungen und eine Investitionsoffensive im ländlichen Bereich bereitgestellt. Darüber hinaus gibt es noch spezielle Förderungen für die Fischereiwirtschaft und die Erzeugung und Vermarktung von Honig.

Kleine Landwirte werden von der Europäischen Union nur spärlich, nach dem Gießkannenprinzip gefördert - das große Geld kassieren andere. Foto: bilderbox