Neue Generation von mobilem Breitband ante portas. | ÖVP-Hakl für Versteigerung der Frequenzen. | Wien. In Zeiten explodierender Budgetdefizite kann der Staat jeden zusätzlichen Euro gebrauchen. Neben unpopulären Steuererhöhungen gibt es aber noch eine andere Option, wie der Staat an frisches Geld gelangen könnte - und damit ist keine Privatisierung im herkömmlichen Sinn gemeint.
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Durch die Digitalisierung von TV und Rundfunk werden in absehbarer Zeit Frequenzen im Bereich von 780 bis 862 Megahertz (MHz) frei, die sich durchaus dazu eignen würden, zu klingender Münze gemacht zu werden, indem sie an die Mobilfunkbetreiber versteigert werden.
Damit würden etwa Videokonferenzen über das Handy kein technisches Problem mehr darstellen. Doch nicht nur das: Die Bundesregierung könnte ihr Ziel, bis 2013 eine schnellere Übertragungsrate (25 Mbit/Sekunde) im mobilen Internet auch auf dem Land zu erzielen, nur über diese Frequenzen erreichen, so Maximilian Mair vom Forum Mobilkommunikation: "In vielen ländlichen Gebieten kann man nur schwer ein Glasfasernetz in den Boden legen."
"Volksvermögen"
"Die Rundfunk-Frequenzen haben zudem eine gute Ausbreitung, können große Distanzen überbrücken und selbst dicke Mauern durchdringen", so Mair. Dadurch wäre denn auch die Sprachqualität beim Mobiltelefonieren endlich einwandfrei.
Für Karin Hakl, Innovations- und Telekommunikationssprecherin der ÖVP, bilden die frei werdenden Frequenzen "eines der letzten großen Volksvermögen", die die öffentliche Hand ohne negativen Nebeneffekt vergolden kann.
Die Versteigerung der UMTS-Lizenzen im November 2003 brachte dem österreichischen Finanzminister rund 832 Mio. Euro (Deutschland lukrierte sogar unvorstellbare 51 Mrd. Euro). Kein Wunder, dass in Fachkreisen dieses Zukunftsszenario unter dem Schlagwort "Digitale Dividende" firmiert, auch wenn damit in erster Linie der technologische Quantensprung zur kommenden Handygeneration Long Term Evolution (LTE) gemeint ist. "LTE-Endgeräte befinden sich noch im Test-Stadium, es wir noch dauern, bis diese eingesetzt werden können", räumt Telekom-Austria-Sprecher Martin Bredl ein. Das trifft sich gut. Denn Hakls Wunsch nach einer öffentlichen Versteigerung dürfte nicht unumstritten sein.
Die Frage, ob das - potenzielle - Volksvermögen gehoben wird, ist eine zutiefst politische. Da wären zunächst die Interessen des ORF, der sicher eine Verwendung für die demnächst frei werdenden Frequenzen finden würde, wenn er denn nur lang genug sucht.
ORF-Sanierung?
Zur Zeit werden im terrestrischen Digitalfernsehen die Programme ORF 1, ORF 2, ATV, Puls4, ORF Sport Plus und 3sat verbreitet, teilweise immer noch auf den für eine Versteigerung in Frage kommenden Frequenzen 780 bis 862 MHz. Unter ORF-Skeptikern kursiert das Gerücht, die Regierung könnte dem Küniglberg die Lizenzen gegen eine geringe finanzielle Abgeltung überlassen, auf dass der ORF diese später selbst mithilfe der Mobilfunker in großes Geld verwandelt - quasi eine ORF-Sanierung über die Bande.
Von der für eine allfällige Lizenzvergabe zuständigen Rundfunk- und Telekom-Regulierungsbehörde (RTR) heißt es dazu gegenüber der "Wiener Zeitung": "Derzeit ist noch offen, welchem Verwendungszweck etwaige freie Frequenzen zugeführt werden." Wie hoch die Erlöse aus einer Auktion sein können, sei noch nicht abschätzbar. Klar festgestellt wird jedoch, dass die Frequenzen "auch für mobile Breitbanddienste nutzbar" seien. Und: "Es handelt sich um einen für Mobilfunkbetreiber sehr interessanten Frequenzbereich."
Das Griss darum findet derzeit nur hinter den Kulissen statt. "Ob die Frequenzen versteigert werden, entscheiden die Politik, der ORF und die EU", gibt sich Telekom-Austria- und Mobilkom-Chef Hannes Ametsreiter betont gelassen: "Die wirklich großen Daten werden sowieso über das Festnetz transportiert."
Beim Forum Mobilkommunikation verweist man auf einen BIP-Anstieg um 3 Prozent jährlich durch Breitband-Innovationen. Zudem wäre der Ausbau der Infrastruktur bei der Digitalen Dividende um 50 bis 70 Prozent günstiger als bei anderen Frequenzen.
Einer Versteigerung werden auch Verhandlungen mit einigen Kulturbetrieben vorangehen müssen, die
die Frequenzen derzeit nutzen. Etwa überträgt die Staatsoper auf diesem Weg Vorstellungen live auf den Herbert von Karajan-Platz.